piwik no script img

■ Die Übernahme der Berliner FDP: Wer sich das ausgedacht hatStudenten! Willkommen im Klops!

Es war nämlich so: Vor einiger Zeit saßen Herr Krähe und ich mit Herrn Wetzel bei einer guten Portion Oban-Whiskys zusammen und dachten über das Leben nach. Folgerichtig kamen wir zu der Erkenntnis, daß es sowohl für die FDP als auch für uns das Beste wäre, wenn wir die Partei übernähmen. Auch schien die Zeit dafür mehr als reif; bedenken Sie doch: Guido Westerwelle! Ja: Kinkel! Und Otto „Formfehler“ Solms! Ganz abgesehen von Wolfgang Gerhardt, Vorstand im Verein der Farblosen!

Jedenfalls, vom rauchigen Tropfen befeuert, notierten wir auf Bierdeckeln das Parteiprogramm, dem wir nach der Machtübernahme Geltung zu verschaffen gedachten. Nichts Größeres fürs erste, ein paar überfällige Verstaatlichungen, die konsequente Fortführung der Idee „Bürgergeld“, einige einfache Spitzensteuersatz- Multiplikationen und – klar doch! – das Verbot von dottergelben Krawatten. Schon dieser Punkt, das werden Sie einsehen, würde der liberalen Trümmerpartei neues Format verleihen!

Aber was gilt das hehrste Ziel, wenn kein Plan ersonnen wird, es zu erreichen? Nicht mehr als eine handelsübliche Tüte Milch unter Brüdern! Also präzisierten wir unser Vorhaben. Wir würden, so schworen wir siegestrunken am Ende der Nacht, zu acht der FPD Berlin-Mitte beitreten; jener beklagenswert kleinen Ortsgruppe, die kaum drei Doppelkopfrunden zu stellen vermag (geschweige denn eine komplette Bundesregierung!). Dann würden wir mit den üblichen demokratischen Mitteln die Macht übernehmen, anschließend die komplette Partei nach links wenden und den überraschten Herren Westerw., Kinkel, „Formfehler“ Solms und Dings die Papiere reichen.

Aber wie so oft: Der Mensch denkt, doch gelenkt wird die Weltgeschichte dann von Amnesie, Schnupfen, Verschlafen (Herr Wetzel) bzw. „keine Zeit“ (Herr Krähe). Am Ende jenes Tages nämlich, der ausersehen worden war, dem jämmerlichen Existenzkampf der Liberalen ein Ende zu setzen und sie zu neuen Triumphen zu führen, war ich FDP-Parteimitglied. Allein, Sie werden es geahnt haben, ich war der einzige Neuzugang! Und obwohl ich noch um eine möglichst niedrige Mitgliedsnummer gebeten hatte – steckt man drin? was, wenn die Weltgeschichte wieder in die andere Richtung losgeht? –, hatte ich nur die 2156941 bekommen. Würde jemand, der nicht komplett vernebelten Geistes ist, diesen Tag als besonders gelungen in seinem Taschenkalender vermerken? Wohl kaum. Die Herren Krähe und Wetzel feixten, und ich mußte zu meiner ersten Ortsgruppensitzung in die Gaststätte – halten Sie sich fest! – „Klops. Gutbürgerliche Küche!“

Hier saßen meine neuen Parteifreunde hinter ihren dottergelben Krawatten am separierten Resopaltisch: ein Haufen von dicken alten Anwalts- wie jungen Vertretergestalten; ein, zwei Damen auch darunter, deren pragmatische Gesprächsbeiträge einen schönen Unterbau bildeten für die glorreichen, eher paneuropäisch ausgerichteten Schnapsideen, mit denen hier Kommunalpolitik gemacht werden sollte. Die meiste Zeit aber wurde verzweifelt beraten, wie die Ortsgruppe Berlin-Mitte erstens mehr Mitglieder für sich gewinnen und es zweitens „mal wieder so richtig dick in die Presse“ schaffen könne.

Nun, das erste Problem, das ist Ihnen nicht neu, haben wir als Ortsgruppe gemeinsam erfolgreich gelöst: 3.000 unterwanderungswillige Studenten – Hurra! Willkommen im Klops! – wollen uns beitreten. Und was das zweite angeht: Meine Pflicht als FDP-Mitglied ist mir in diesem Fall keine lästige. Liebe Parteifreunde! Willkommen in der Presse! Martin Sonneborn

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen