Die Tram soll durch den Görli rollen: Nicht in meiner Grünanlage
Pläne zur Trassenführung der M10 zum Hermannplatz liegen endlich vor. Sie sorgen schon mal für Ärger. Erst 2028 soll die Tram nach Neukölln fahren.
Super eigentlich: Nur drei Jahre, nachdem die Verkehrsverwaltung angefangen hat, über die Trassenführung der M10 zum Hermannplatz nachzudenken, ist die Entscheidung schon da und die Planung kann beginnen. Okay, das war ironisch. Laut Koalitionsvertrag sollte in dieser Legislaturperiode schon der Bau beginnen. Jetzt wird es 2028, bis man wieder per Tram von Friedrichshain nach Neukölln rollen kann.
Dasselbe gilt für die neue Strecke Weißensee–Heinersdorf–Pankow, die im Nordosten, wo viel gebaut wird, komplizierte Busverbindungen ersetzen soll. Aber besser spät als nie, und was die M10 angeht, hat Senatorin Regine Günther trotzdem Recht, die am Dienstag sagte, die Streckenverlängerung werde „Ost und West noch stärker verbinden“ und „Netzlücken im Herzen der Stadt“ schließen.
Vielleicht – wer weiß – hat es mit der Vorentscheidung ja so lange gedauert, weil man in der Verkehrsverwaltung die Wut der KreuzbergerInnen über die Durchschneidung des Görlitzer Parks fürchtete. Die sich dann tatsächlich wie ein verfrühtes Sommergewitter in den sozialen Medien zusammenbraute, um sich über Günther und Co. zu entladen.
Mit ein bisschen Donnergrollen wird es aber nicht seine Bewandtnis haben. Der Widerstand wird sich erst richtig formieren. Und auch wenn das jetzt keine Sympathiepunkte gibt, muss es mal gesagt werden: Die „Nicht in meiner Grünanlage“-Mentalität derer, die da jetzt aufschreien, ist schwer erträglich.
Als solle die A100 den Görli queren
Da werden Szenarien heraufbeschworen, als solle die A100 den Görli queren. „Die schöne Ruhe ist dahin!“, hallt es durch Twitter, auch von Menschen, die den nicht wirklich beschaulichen Park sonst gar nicht rough genug finden können. Schreckliche Unfälle mit spielenden Kindern malt man sich aus, als schössen die Trams aus dem Hinterhalt über den Rasen. Und dass gleichzeitig das Görlitzer Ufer autofrei werden soll, interessiert komischerweise die wenigsten.
Kein Zweifel: Die Verbindung durch den Park macht mit Abstand am meisten Sinn, sie ist direkt und intuitiv. Die NutzerInnen wollen ja auch ein Ziel erreichen und nicht zu Erholungszwecken um die Kurven quietschen. Die PlanerInnen sind jetzt gefragt, Park und Gleise schonend und elegant zu kombinieren.
Ein Nebenhieb auf die Verwaltung muss aber noch sein: Die sollte sich künftig besser überlegen, ob sie mit schicken Visualisierungen potenzielle Bauvarianten scheinbar präjudiziert. Das betrifft insbesondere den Verlauf der M10 durch die dann autofreie Falckensteinstraße: Auf dem idyllischen Bild, das verbreitet wurde, scheint es, als teilten sich Tram, Fahrräder und Fußgänger exklusiv die Straße – für Müllabfuhr, Fahrdienst oder Lieferwagen gibt’s noch nicht mal einen Stellplatz.
Auch das sorgte auf Twitter für Debatten. Von der Verkehrsverwaltung heißt es nun: So genau dürfe man diese Bilder nicht nehmen. Dann sollte man sie aber nächstes Mal einfach weglassen.
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