Die Temporäre Kunsthalle in Berlin: Kunst ist der neue Pop
Endlich da und bald schon wieder weg: Wie ein Baucontainer der Luxusklasse steht die seit Jahrzehnten herbeigesehnte Temporäre Kunsthalle auf dem Berliner Schlossplatz.
Berlin hat eine neue Kunsthalle.
Endlich. Viel zu viele Worte waren darüber während der letzten Jahre bereits verloren worden. Jetzt steht sie auf dem Schlossplatz, mitten im Herzen der Stadt. Und weil Zwischennutzungskonzepte in Berlin schon so etwas wie eine Tradition haben, ist auch dieses Gebäude nur auf zwei Jahre angelegt. 2010 wird ihm nämlich der Boden entzogen, wenn an gleicher Stelle das sogenannte Humboldtforum errichtet werden soll.
Die Temporäre Kunsthalle, entworfen und gebaut vom Wiener Architekten Adolf Krischanitz, trägt dieser Tatsache mit einem billigen und schnellen Kastenbau Rechnung, eine Art selbstbewusster Art-Deluxe-Baucontainer. Das gibt ihr eben auch ein bisschen vom typischen Charme des konstanten Wandels, den Berlin immer noch atmet - wenn auch in den letzten Zügen.
Trotzdem will dieser Bau nicht so richtig passen - nicht zur emblematischen Ruine des Palasts der Republik, dessen monumentale Reste den Platz bestimmen, nicht zum klassizistischen Prunk rund um die Touristenmeile Unter den Linden. Die Außenhautgestaltung von Gerwald Rockenschaub - abstrahierter tiefblauer Himmel mit weißen Wölkchen im Rasteroutfit - fügt sich zwar alles andere als dezent in die Umgebung ein, ist gleichzeitig aber auch etwas zu harmlos. Ein symbolisch so überfrachteter Ort wie dieser, mitten im repräsentativ pochenden Herzen Berlins, scheint ein noch stärkeres Statement zu benötigen.
Aber es ist ein Anfang, immerhin. Und es wurde Zeit dafür. Denn die bildende Kunst der Gegenwart ist mit diesem Bau in der Mitte einer Stadt angekommen, die für sie selbst schon längst Mittelpunkt war. Dass Berlin eine Kunsthalle braucht, die als offizielles Schaufenster seine vielfältige künstlerische Produktion adäquat abbilden könnte, verkam die letzten Jahre in den Kunstkreisen der Hauptstadt schon beinahe zur Floskel. Diese Stadt, in der inzwischen gefühlt jeder Zweite zumindest mit einem Bein in der Kunstszene steht und die eine immense, fast schon mythisch überhöhte Anziehungskraft auf Künstler aus aller Welt ausübt, leistete sich jahrelang eine gewisse Schwerfälligkeit auf Seiten der Institutionen. Die Übernahme von Blockbuster-Ausstellungen fiel den Verantwortlichen leichter, als mit etwas Mut zum Risiko vor der eigenen Haustür in die Vollen zu greifen.
Das soll jetzt also anders werden. In dieses Bild passt, dass die Temporäre Kunsthalle in einer Art Kooperation zwischen der Stadt und privaten Sponsoren zustande kam: unter der schützenden Hand des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit und mit klar formuliertem Statement zur Übernahme öffentlicher Verantwortung, doch initiiert, durchgefochten, realisiert und getragen von einer privaten Allianz, die sich im Windschatten des Engagements der beiden Kuratorinnen Coco Kühn und Constanze Kleiner vor beinahe drei Jahren formierte.
Das Bekenntnis zu öffentlicher Verantwortung und zum Schaufensteranspruch, der auch und gerade diejenigen erreichen will, die erst einmal nichts mit der aktuellen bildenden Kunst zu tun haben (also die andere gefühlte Hälfte Berlins zuzüglich der Touristen), schlägt sich auch in den hier präsentierten Videoinstallationen von Candice Breitz nieder. Denn die sind Popkunst im besten Sinne des Wortes. Auf Seiten des Inhalts wie auf Seiten der Rezeptionsmodi. In drei getrennten Videoinstallationen formuliert Breitz aus vielen einzelnen Kanälen jeweils einen Chor von Fans, die Songs ihrer Idole nachsingen - John Lennon, Michael Jackson, Madonna. Ein heiliges Dreigestirn, betitelt mit, wen wundert es, "Working Class Hero", "King" und "Queen".
Die Potenziale der Popkultur zur Selbstermächtigung wie auch ihr devoter Starkult gehen in dieser Karaoke-Kakophonie eine beunruhigende Allianz ein. Und ganz nebenbei wird hier gleich mal der Anspruch formuliert: Kunst ist - zumindest in Berlin - der neue Pop. Wenn schon nicht vom Volk fürs Volk gemacht, so doch von Künstlern für die Massen.
Candice Breitz, Temporäre Kunsthalle Berlin, Schlossfreiheit 1
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