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Die Selektion der KinderDie Qual mit der Schul-Wahl

Ende Januar beginnt wieder die Anmelderunde für die 5. Klassen. Die Schulform ist frei wählbar, die Schule nur dann, wenn Platz ist.

Eltern müssen jetzt entscheiden, in welche 5. Klasse ihr Kind gehen soll Foto: Daniel Bockwoldt (dpa)

HAMBURG taz | Es ist wieder Entscheidungszeit für Eltern der Viertklässler. Seit November gibt es Informationsabende, auf denen Leiter von Stadtteilschulen und Gymnasien sich vorstellen. Am 31. Januar beginnt die Anmeldewoche. Während viele Eltern verunsichert sind, wie sie sich entscheiden sollen oder wie sie an ihre Wunschschule kommen, befürchten Politiker, dass die Anmeldequote an den Gymnasien zu Lasten der Stadtteilschulen noch mehr steigt. „Ich wette, wir sind bald bei 60 Prozent“, sagt die parteilose Abgeordnete Dora Heyenn.

Allgemein gilt: In Hamburg gibt es das Elternwahlrecht. Eltern können bei der Anmeldung drei Schulen angeben, den Erstwunsch, Zweitwunsch und Drittwunsch. Kinder erhalten mit dem Halbjahreszeugnis eine Schulformempfehlung. Bei einem Teil der Kinder steht dort „Stadtteilschule“, bei den anderen „Stadtteilschule/Gymnasien“. Doch auch ohne Empfehlung kann ein Kind ans Gymnasium. Nur werden jährlich rund 1.700 von dort wieder abgeschult.

Eltern haben in Hamburg das Recht, die Schulform zu wählen, aber nicht die Schule selbst. Da viele zwischen guten und schlechten Schulen unterscheiden, bibbern sie, dass sie bei der richtigen landen. Das Elternwahlrecht verschärft Probleme. Denn Eltern fürchten auch mal ein raues Klima für ihr Kind. Und je weniger leistungsstarke Kinder an einer Schule sind, desto weniger trauen sie der zu, ihr Kind adäquat zu fördern.

Meist geht der Erstwunsch in Erfüllung

Doch in etwa 95 Prozent aller Fälle geht meist der Erstwunsch in Erfüllung. Bei den übrigen nicht, doch sie können Widerspruch einlegen.

„Wer als Erstwunsch, Zweitwunsch und Drittwunsch eine beliebte Schule wählt, hat schnell verloren“, sagt Schulbehördensprecher Peter Albrecht. Denn dann sei die Wahrscheinlichkeit, dass kein Wunsch in Erfüllung gehe, recht hoch. Es sei denn, man wohnt in der Nähe so einer Schule.

Albrecht rät Eltern, als Zweitwunsch eine Schule anzugeben, die nicht so hoch angewählt ist. Sollte keiner der drei Wünsche in Erfüllung gehen, weist die Behörde einen Platz zu.

Zu einer Schulform gezwungen würden Eltern nicht. Wenn unter Eltern bei Erst-, Zweit- und Drittwunsch zwei Stadtteilschulen und ein Gymnasium gewählt wurden, und sich keiner dieser Wünsche realisieren lässt, werde in der Regel eine Stadtteilschule zugewiesen. Ist das Zahlenverhältnis umgekehrt, wird ein Platz am Gymnasium zugewiesen. Albrecht: „Die Eltern können dann aber – wie stets – Widerspruch gegen die Zuweisung einlegen und eine andere Schulform wünschen.“

Soziale Ausgrenzung

Während Eltern das Wohl ihres Sprösslings im Blick haben, gibt es in Lehrerkreisen die Sorge, dass das Schulsystem immer weiter auseinanderdriftet. Im Vorjahr entschieden sich nur noch 42 Prozent für die Stadtteilschule, obwohl dort auch Abitur gemacht werden kann. Setzt sich dieser Trend fort, würden 2020 schon 70 Prozent das Gymnasium besuchen, warnten im Sommer die Schulleiter der Stadtteilschulen in einem Brandbrief. So könnten weder Gymnasien noch Stadtteilschule ihren Bildungsauftrag erfüllen. Diese soziale Ausgrenzung müsse ein Ende haben und die Politik dafür sorgen, dass sozial Schwache und Zuwanderer „in die Mitte unserer Gesellschaft gerückt werden“.

Seit dem Brief beraten Schulleiter mit der Behörde in AGs darüber, wie man den Übergang von Klasse 4 auf 5 besser gestalten kann. Doch das von den Grünen favorisierte Modell etwa eines „gesteuerten Anmeldeverfahrens“, bei dem sich Schulen je nach Profil auch einen Teil der Kinder wohnortunabhängig aussuchen können, ist nicht konsensfähig.

Dora Heyenn will einen anderen Anlauf wagen. Ihr ist besagte „Gymnasialempfehlung“ und die in ihr enthaltene Etikettierung ein Dorn im Auge. Denn eigentlich steht diese Schulformempfehlung sei 2009 nicht mehr im Schulgesetz. Sie will im Februar eine Kampagne starten „Grundschulempfehlung – nein danke!“. Denn so dächten viele Eltern, deren Kind auch an der Stadtteilschule Abitur machen kann, sie müssten es zum Gymnasium schicken.

„Bei der Grundschulempfehlung spielt die soziale Herkunft eine maßgebliche Rolle“, sagt auch der Schulforscher Ulrich Vieluf. Denn bei gleicher Leistung, das sei empirisch belegt, bekommen Kinder, die zu Hause von ihren Eltern unterstützt werden, eher diese Empfehlung. Auf diese Weise beginnt die soziale Entmischung der Schülerschaft.

Nachbar Schleswig-Holstein hat die Grundschulempfehlung übrigens abgeschafft.

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