■ Jugoslawien: Milošević hat es wieder einmal gepackt: Die Schwäche der Opposition
Ob alles bei diesen Wahlen mit den rechten Dingen zuging, sei dahingestellt. Entscheident für den Erfolg des Ehepaars Milošević-Marković wäre ein Wahlbetrug ohnehin nicht gewesen. Selbst der Zugriff des Staates auf Presse und Bürokratie des Staates erklärt noch nicht hinreichend den Sieg einer Führungsriege, die Serbien und Montenegro in einen verlorenen Krieg und in den wirtschaftlichen Zusammenbruch geführt hat. So paradox es klingen mag, der Mann, den die serbische Nation unter normalen Umständen zum Teufel jagen müßte, erscheint angesichts der Wirrnis im eigenen Land noch als Ausbund der Rationalität und Staatskunst.
Das Oppositionsbündnis besteht aus zwei Strömungen, die konträr gegeneinanderstehen. Auf der einen Seite jene nationalistischen Zirkel, die jeden Kompromiß gegenüber den Kriegsgegnern für „Verrat“ halten. Diese Argumentation führt in Revanche und einen neuen Krieg. Das aber will in Restjugoslawien kaum jemand. Die zweite Strömung der Opposition schöpft Kraft aus den sozialen Verwerfungen, die aus der Mißwirtschaft des Kriegskommunismus und der Herrschaft der Kriminellen im Wirtschaftsleben entspringen. Sieht man von den Führern der Opposition in Montenegro ab, verfügt diese Strömung der serbischen Opposition allerdings über kein Rezept, um die Umstrukturierung der Wirtschaft und die Demokratisierung des Systems in die Wege zu leiten. Zu tief sind die meisten ihrer Vertreter zudem in der Ideologie der Vergangenheit verstrickt.
Noch ist keine gesellschaftliche Kraft fähig, umfassend mit der Vergangenheit abzurechnen. Und dazu gehörte, die Schuld an dem Zerfall Jugoslawiens, am Krieg und den Verbrechen nicht nur den „anderen“ anzulasten. Daß die Aufarbeitung der Vergangenheit wahrscheinlich die einzige Chance für die Zukunft wäre, haben zu wenige erkannt. Und daß Ehefrau Mirjana Marković zumindest rhetorisch dazugehört, hat Milošević den Rücken gestärkt. Sowohl die Selbstlüge der serbischen Ideologie wie auch deren Krise haben paradoxerweise Milošević genützt. Erich Rathfelder
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