■ Die SPD mißbraucht die Grünen, um ihr Unvermögen zu verdecken: So nicht, Genossen!
Jawoll. Die SPD muß endlich zeigen, daß auch sie an der Regierung ist und nicht nur die Grünen. Über all dem Hickhack um Atomausstieg und die doppelte Staatsbürgerschaft hatten wir doch geradezu vergessen, daß die neue Regierung sich vor allem dort verheddert hat, wo sich die SPD gegenüber dem sechsmal kleineren Partner durchgesetzt hatte: bei den 630-Mark-Jobs, der Mini-Ökosteuer und der „großen“ Steuerreform. Und denken wir drei Monate zurück, an den Koalitionsvertrag, dann erinnern wir uns, daß die Grünen außer mit der Staatsbürgerrechtsreform, dem Atomausstieg und einer nur nominellen „Ökosteuer“ kaum eigene Akzente setzen konnten.
Und heute, nach der Hessen-Wahl? Da erfahren wir, daß nicht Hombachs Chaos im Kanzleramt oder das offensichtliche Einknicken der SPD vor Abschreibungskünstlern aller Art schuld sind an der schlechten Bilanz – sondern Umweltminister Trittin und die doppelte Staatsbürgerschaft. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Struck hat völlig recht: Die SPD sollte jetzt ihre ureigenen Themen mehr in den Vordergrund stellen – und uns verraten, wie die von Lafontaine gewünschten Nachfragesteigerungen und niedrige Lohnabschlüsse gleichzeitig möglich sind und das dann Arbeitsplätze schafft; wie sie das 630-Mark-Gesetz verbessern wird, statt es nur einmal um die eigene Achse zu drehen; und wie sie Hoch- und Niedrigverdiener, nebenbei noch die Familien von Steuern entlasten will, ohne klar zu sagen, wer für die Gegenfinanzierung bluten soll.
Nur die Schwäche der SPD bei ihren Themen hat die konfliktreichen Grünen-Essentials so stark in den Vordergrund gespült. Steuerreform und Bündnis für Arbeit sind schon heute in den traditionellen Bahnen festgefahren, kaum jemand glaubt an Erfolge, die am Rückgang der Arbeitslosigkeit meßbar wären. In dieser Situation hat sich auch die SPD an die symbolträchtigen Projekte geklammert, die (vermeintlich) leicht und ohne Kosten umzusetzen sind: Atomausstieg und Staatsbürgerrecht. Gefährlich wird das vor allem für die Grünen, die in Struktur und Denkweise immer noch eine Oppositionspartei sind. Ihre Anhängerschaft hat höhere Erwartungen als die der „Altparteien“, für Kompromisse ist sie nur schwer zu begeistern. Die alten Aktivisten aus BIs, Friedens- und Ökobewegung fühlen sich um die Früchte ihrer langjährigen Arbeit geprellt. Auf der anderen Seite stehen der neue grüne Mittelstand, die grün angehauchte Jugend, die mit den Traditionsthemen wenig und mit dem Wort „Widerstand“ nichts mehr anfangen kann. Hessen zeigt, daß die Grünen drohen zwischen beiden Gruppen zerrieben zu werden. Michael Rediske
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