piwik no script img

■ VorlaufDie Rückkehr der fremden Männer

„Die wirren Jahre“, Teil 4: „Liebe in Trümmern“, ARD, 21.45 Uhr

Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: Über zwölf Millionen Flüchtlinge und Vertriebene sind unterwegs. Nichts gilt mehr als die Familie, und nichts ist so zersplittert. „Liebe in Trümmern“ heißt doppeldeutig der vierte Teil der ARD-Dokumentarreihe „Die wirren Jahre“, der heute abend im Ersten läuft. Sehenswert macht den Film von Sabine Zurmühl seine geschickte Montage aus Defa-Trümmerfilmen, Wochenschauen und Zeitzeugenberichten. Wie schon die drei Filme zuvor, verzichtet auch Zurmühls Dokumentation auf überflüssige Kommentare. Die Autorin läßt Fakten und den auch hier souveränen Christian Brückner sprechen.

8,5 Millionen deutsche Soldaten kehren nach 1945 aus der Gefangenschaft heim. Der Suchdienst des Roten Kreuzes arbeitet fieberhaft. Die Wochenschauen zeigen anrührende Szenen der Familienzusammenführung. Ende gut? Nichts ist gut. Zurmühls Film macht da weiter, wo die Zeitgeschichte sonst ausblendet. Man hat sich wieder – und weiß nicht so recht, wozu. Kinder starren auf fremde Männer, die plötzlich am Tisch sitzen. Mit ihnen sollen sie nun die Liebe der Mutter teilen, an die fremden Väter sollen sie die ihnen früh auferlegte Verantwortung nun plötzlich wieder abgeben. Die Frauen haben jetzt ein Kind mehr durchzufüttern, müssen therapeutisch wirken, denn die Heimkehrer sind physisch und psychisch am Ende. Sie sind zurück im Leben und doch draußen vor der Tür. „Wir sind nicht mehr die gute Vorkriegsware“, wird der Journalist Walther von Hollander zitiert.

Und auch die Frauen sind andere geworden nach all den Jahren unfreiwilliger Selbständigkeit. Viele Ehen zerbrechen an diesem Konflikt. Die meisten aber, das macht der Film auch deutlich, werden sich hinüberretten in die goldenen fünfziger Jahre. Die große Kehrmaschine Wirtschaftswunder wird Traumata und Fragen der Schuld rasch unter den neuerworbenen Teppich fegen. Und auch das alte Nora-Spiel, so eine Zeitzeugin, kann wieder beginnen...

Jutta Czeguhn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen