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■ Die Proteste in Indonesien zeigen, daß Reformen ausgeblieben sindHabibies gefährliches Spiel auf Zeit

Die Bilder ähneln sich auf fatale Weise: Wie im vergangenen April und Mai demonstrierten jetzt tagelang die Studenten in Jakarta für überfällige politische Reformen. Wie damals die Regierung des langjährigen Diktators Suharto stellen sich auch jetzt sein Nachfolger B. J. Habibie und die noch von Suharto ernannten Mitglieder der „Beratenden Volksversammlung“ taub gegenüber den Forderungen nach einem grundlegenden demokratischen Wandel. Schließlich werden wie seinerzeit Studenten brutal vom Militär erschossen. Wieder verwandeln sich die friedlichen Proteste in eine Orgie der Gewalt. Opfer werden erneut vor allem die Mitglieder der chinesische Minderheit. Und wie damals ist auch heute wieder nicht auszuschließen, daß Teile des Militärs die Gewalt selbst inszeniert haben.

Die Bilder ähneln sich nicht nur fatal, sie zeigen auch, wie wenig sich in den vergangenen sechs Monaten wirklich geändert hat. Zwar ist der Diktator nicht mehr im Amt, aber sonst ist vieles beim alten geblieben. Die Reformen wurden systematisch verschleppt. Der in deutschen Wirtschaftskreisen so beliebte Habibie spielt auf Zeit. Unter Einsatz des aus der Suharto-Zeit stammenden Machtapparats versucht er, die Bevölkerung mit unverbindlichen Absichtserklärungen abzuspeisen, um so seine Position zu festigen.

Die demonstrierenden Studenten haben mit ihrer Forderung nach einem Ende der starken Rolle des Militärs in der Politik genau den entscheidenden Punkt getroffen. Sie haben erkannt, daß ohne die Beschränkung des Militärs auf die äußere Landesverteidigung keine wirkliche Demokratie erreicht werden kann. Indonesiens Militär entzieht sich nicht nur jeder demokratischen Kontrolle, sondern ist auch für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen aus der Suharto- Zeit mitverantwortlich, deren Aufarbeitung es heute nach Kräften blockiert. Habibie ist auf das Militär und seinen starken Mann General Wiranto mindestens so stark angewiesen, wie dieser auf Habibie. Gemeinsam sind diese beiden früheren Suharto-Vertrauten die führenden Kräfte der Restauration. Solange sie nicht durch Politiker mit einer überzeugenden demokratischen Legitimation ersetzt werden, sind neue Proteste und damit auch eine weitere Wiederholung der tragischen Bilder vorprogrammiert. Denn Habibies gefährliches Spiel auf Zeit blockiert nicht nur überfällige demokratische Reformen, sondern auch die Lösung der schweren Wirtschaftskrise. Denn ohne Rückhalt in der Bevölkerung können die notwendigen Maßnahmen kaum umgesetzt werden. Sven Hansen

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