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■  Die Parteispenden-Affäre werde „ohne Ansehen der Person“ aufgeklärt, versprach die CDU. Sprich: ohne Rücksicht auf Helmut Kohl. Gestern musste der Altkanzler nun öffentlich zugeben, dass es geheime Konten gabKohl ohne Ansehen der Person

Matthias Wissmann kam und sagte nichts, nicht einmal guten Morgen. Das war der Schatzmeister der CDU. Norbert Blüm kam und sagte, „ich gehe jetzt zur Präsidiumssitzung“. Das war der Ex-Sozialminister. Helmut Kohl kam und sagte, „ich fühle mich überhaupt nicht unter Druck“.

Warum auch? Es war doch alles so schön vorbereitet. Die Erklärung war geschrieben, die Strategie klar.Was regen sich diese Journalisten dann noch so auf? „Wie die ersten Menschen“ (Kohl) benehmen die sich, drängeln und schubsen da vor der Bundesgeschäftsstelle der CDU, nur für ein Bild, für eine Aussage.

„Wo müssen wir denn eigentlich hin?“, fragt Helmut Kohl, umringt von Bodyguards und Presseleuten. Ja, wohin denn, was ist überhaupt der Anlass? Sollte hier nicht der einstige Kanzler der Republik seiner Parteispitze erklären, was er von schwarzen Kassen der CDU, was er von dubiosen Spenden seiner Partei wusste?

Na ja, da kann man schon mal den Überblick verlieren. Dabei hätte Kohl nur nachlesen müssen, was morgens in den Zeitungen stand: „CDU-Spitze erwartet Aufklärung von Kohl“, etwa in der Berliner Zeitung, oder „Kohl: Heute Beichte bei der CDU?“ in Bild. Aber Kohl hat ja seine Bodyguards, und so schafft er es denn auch zur Präsidiumssitzung, die eigens für ihn einberufen wurde.

Beichte bei der CDU? Von wegen. Hier wird verlesen, hier wird erklärt, hier wird für das Wohl der Partei gearbeitet. Zu beichten gibt es da nichts.

„Warten wir noch ein bisschen, bis sich die Herren beruhigt haben“, sagt Kohl zu Beginn seiner Presseerklärung. Ist ja auch ganz schön laut hier, da kann man sich nicht konzentrieren. Kohl versucht es trotzdem und liest so schöne Sätze wie: „Eine von den üblichen Konten der Bundesschatzmeisterei praktizierte getrennte Kontenführung erschien mir vertretbar.“ Oder: „Ich bedaure, wenn die Folge dieses Vorgehens mangelnde Transparenz und Kontrolle sowie möglicherweise Verstöße gegen Bestimmungen des Parteiengesetzes sein sollten.“ Und: „Dies habe ich nicht gewollt, ich wollte meiner Partei dienen“. Kohl liest langsam, betont. Wer nur flüchtig zuhört, versteht nur Worte wie „übliche Konten“, „Partei dienen“, „persönliches Vertrauen“. Keine Frage, hier wird das Spiel „Politiker erklären sich“ gespielt.

Was zu dem Spiel jedoch weniger passen will, ist Kohls linke Hand. Die liegt unter dem Tisch, knetet die rechte, legt sich auf den Tisch, nimmt sich ein Glas Wasser. Als Schäuble rückhaltlose Aufklärung fordert und das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren erwähnt, das gegen den ehemaligen Schatzmeister der CDU, Walther Leisler Kiep, laufe, knüpft die Hand sich das Jackett zu.

Aber dann erwähnt der Schäuble zum Glück ja auch noch, dass die CDU so ein immenses Parteivermögen im Jahre 1990 nur hatte, weil es durch die deutsche Einheit mehr Wahlkampfkostenrückerstattung gab. Na also, da kann man die Hände schütteln und gehen. Dies war der erste Teil des Spiels, Titel: „Ehrenvorsitzender übernimmt Verantwortung und Partei bohrt nicht nach“.

Was nun folgt, ist der Teil, der „Verantwortung haben die anderen“ heißen könnte. Diesen Part übernehmen Schäuble und Generalsekretärin Angela Merkel, die bis dahin auffallend geschwiegen haben. Aber nun kann Schäuble ja reden: „Kohl hat die Partei im patriarchalischen Sinne geführt, das hat vielfältige Seiten.“ Wie ein Vater habe er sich um jeden gekümmert und engagiert, schwärmt da der Parteivorsitzende Wolfgang Schäuble. Aber nun kommt's. „Die Gegenseite war: Möglichweise wurden formale Bestimmungen des Haushaltsrechts einer Partei nicht so eingehalten, wie man es sich wünscht, oder wie es notwendig ist.“ So verkündet man – ganz nebenbei – das Ende des Patriarchats und den Einzug neuer Zeiten. Also setzt Schäuble nach und sagt, er sei nun Vorsitzender der Partei und könne mit Angela Merkel die CDU nicht so führen, wie es Kohl getan hat.

Und Konsequenzen, will ein Journalist wissen: „Tja, das ist schwierig“, sagt Schäuble. „Wir sind stolz auf unseren Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl. Aber mit Schröder könnten wir ja mal reden, was der von Neuwahlen hielte.“ Wolfgang Schäuble hätte auch sagen können: Es gibt keine Konsequenzen. Doch das sagt man in so einem Spiel nicht.

Zumal, wenn das Patriarchat noch Marzipan essen gehen muss – in Lübeck. Dort gilt es schließlich dafür zu sorgen, dass der CDU-Mann Volker Rühe im Februar Ministerpräsident wird. Da kann man das Spiel doch nicht vorzeitig abbrechen.

Uta Andresen, Berlin

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