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■ Die Nachricht zum 1. Mai: VW stellt 400 ArbeiterInnen einParadoxe Intervention

Vor kurzem verbreitete ein führendes Wirtschaftsforschungsinstitut eine sehr gute Nachricht. Ab Ende des Jahres wird die Zahl der Arbeitslosen nicht weiter ansteigen, dann sei das Tal der Tränen durchschritten. Trifft dies zu, dann werden endlich nicht mehr Horrornachrichten über 4,5, 4,6, 4,7 Millionen registrierte Arbeitslose über die Fernsehkanäle flimmern. Ulrich Wickert kann dann tun, was der Kanzler schon lange will, nämlich das Gute sehen und darüber reden. Nur noch 4,495, 4,493, 4,491 Millionen Arbeitslose. Es geht aufwärts!

Den Anfang zum bevorstehenden Aufschwung durften am Vorabend des Frusttags der Arbeitslosenklasse Millionen von Fernsehzuschauern erleben. Auf allen Kanälen war es die gute Nachricht aus Deutschland. Gleich nach der guten Nachricht aus Zaire, daß viele Flüchtlinge im Dschungel gefunden wurden. VW stellt in Wolfsburg vierhundert neue Mitarbeiter ein. Zwar befristet und für zehn Prozent weniger Lohn als die Kollegen, aber immerhin: Vierhundert Menschen haben wieder Arbeit, und wenn die Konjunktur anhält, werden es vielleicht fünfhundert. Da geht ein „Ruck durch Deutschland“ (R.H.). Und wenn morgen die Tagesschau berichtet, daß Zeiss- Jena dreihundert Teilzeitoptikerinnen angeheuert hat und übermorgen, daß ein Bäcker in Schwäbisch- Gmünd seine Belegschaft durch die Einstellung von zwei Nachtarbeiterinnen um 100 Prozent verdoppelt hat, wer will da noch von der schlimmsten Krise auf dem Arbeitsmarkt seit Ende der Weimarer Republik reden?

Das Subversive an solchen Meldungen ist, daß Erfolgsnachrichten dieser Art viel eindringlicher als jeder Bericht über Zechenstillegung etc. die Misere auf dem Arbeitsmarkt veranschaulichen. Die Psychologen nennen dies paradoxe Intervention. Denn wenn befristete Neueinstellungen schon Schlagzeilen machen, heißt dies doch nichts anderes, als daß sie bei der jetzigen Massenarbeitslosigkeit eine Sensation sind.

Es geht ums Ganze, so lautete das 1.-Mai-Motto des DGB. Landauf, landab wird wieder beschworen, was schon voriges und vorvoriges Jahr auf der Tagesordnung stand. Die Arbeitsplätze verschwinden, die Demokratie ist in Gefahr. Vielleicht sollte auch der DGB von den paradoxen Interventionstheoretikern lernen. Bei der nächsten Maikundgebung verliest Dieter Schulte die Namen derjenigen, die 1996/97 eine Festanstellung gefunden haben. Anita Kugler

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