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■ Die Militärintervention in Zaire würde mehr schaden als nutzen. Auch wenn deutsche Blauhelme mitmarschierenWeihnachten bei Mobutu?

Kaum schien eine Militärintervention der Nato-Großmächte in Zaire, flankiert von afrikanischen Munitionshelfern, beschlossene Sache zu sein, da wurde Frankreichs militärdiplomatische Vorhut auch schon im Regen stehen gelassen, ohne den schützenden Blauhelm der UNO. Die Nato-Soldaten, erkannte unverhofft Kanadas Außenminister Young, „möchten Weihnachten nicht in Afrika verbringen“. Dabei hätte gerade Kanada dort den „neutralen“ Vorreiter spielen sollen.

Standhaft, wenn nicht gar wirklich neutral, war von vornherein diesmal unser Außenminister Kinkel geblieben. Hatte er doch bereits Anfang November, übrigens in Anlehnung an seine skandinavischen Amtskollegen, entschieden, unseren französischen Freunden bei einem Waffengang nach Zaire die Gefolgschaft zu verweigern: „Ich sehe keine Beteiligung deutscher Soldaten“, hatte er dem ruandischen Außenminister Gasana in Bonn erklärt. Nicht die Bundeswehr, sondern ein humanitär-technisches Hilfswerk werde in die Krisenregion entsendet.

Kritik an dieser Bonner Position wurde weder in Paris noch in Washington laut, auch nicht am Sitz der UNO. Vielmehr in Bonn selbst. Führende Politiker von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – Johannes Gerster, Günter Verheugen, Werner Schulz – wollten in Kinkels Haltung eine Art „voreilige Zurückhaltung“ erkannt haben. Verlangte der CDU- Mann offen einen Bundeswehreinsatz in Zaire, der SPD-Mann entsprechend die Wahrnehmung „einer gewachsenen weltpolitischen Verantwortung Deutschlands“, so wüßte der Bündnisgrüne nicht, was gegen eine Bundeswehrbeteiligung am UNO-Schutz der Flüchtlinge einzuwenden sei.

Als einer, der in dieser Sache jahrzehntelange Ortspraxis kennt, hatte Rupert Neudeck allerdings zur gleichen Zeit – am 12. November – in der taz gesagt: „Dieser Schutz kann nur gewährleistet werden, wenn man ihn mit afrikanischen Kontingenten einrichtet.“ Egal, ob Neudeck dabei auch die bewaffnete zairische Rebellenopposition gegen das Mobutu-Regime im Sinn hatte – jedenfalls hat ihm dieses „afrikanische Kontingent“, wie die überraschte Welt inzwischen weiß, bereits weitgehend recht gegeben. Die Truppen dieser „Demokratischen Allianz“ haben einen Großteil der ruandischen Flüchtlinge bereits nach Hause geschickt. Ganz ohne den Aufwand einer UNO-Streitmacht, die ohnehin keinen Streit mit den Völkermordmilizen und Geiselnehmern der Flüchtlingsmassen suchen sollten – wie seit 1994 gehabt.

Es war die famose Eingangsidee des Sicherheitsrats in New York, die strategisch entscheidenden Flughäfen Goma und Bukavu an der zairisch-ruandischen Grenze zu besetzen, hier französische, dort US-Verbände. Nur befinden sich diese Start- und Landebahnen eben nicht mehr unter Mobutus Regierungs-, sondern unter Rebellenkontrolle. Beide Seiten haben sich bekanntlich den Bürgerkrieg erklärt. Die Militärdiktatur in Kinshasa will zurück in die Ostprovinz, die Rebellenarmee vorwärts in die Hauptstadt. „Ich habe eine Schlacht verloren“, verkündete Marschall Mobutu noch vergangenen Sonntag über Radio Zaire, aber ich gewinne den Krieg.“

Im Moment sieht es indes nicht danach aus, als würde ein solcher Sieg die Nato, Frankreich ausgenommen, besonders entzücken – der milliardenschwere Marschall vom Kongo ist eben nicht mehr die CIA-Marionette der sechziger Jahre. Wie es heißt, habe er diese Emanzipation nicht zuletzt Freunden in Paris zu verdanken. Darunter Jacques Foccart, der laut Die Woche sogar behaupte, der wahre Grund für die gegenwärtige Krise läge in einem unerklärten Krieg zwischen Paris und Washington um den Einfluß in der Region im Zentrum Afrikas.

Da hätten wir also eine innere wie eine äußere Front im Kampf um das Riesenreich Zaire – ein Kampf, der bald balkanische Ausmaße annehmen könnte, wie schon einmal in den sechziger Jahren. Das ruandische Flüchtlingselend, das derzeit noch im Vordergrund der Berichterstattung steht, kann davon nur zeitweise ablenken. Leider haben Interventionsbefürworter wie Gerster, Verheugen und Schulz der Öffentlichkeit nicht vor Augen geführt wie Bundeswehreinheiten zwischen diesen explosiven Fronten „neutral“ agieren könnten, ohne zugleich von vorn und hinten beschossen zu werden. Mit wem wollten sie denn über die Militärflughäfen von Goma und Bukavu verhandeln – mit Mobutu, mit Rebellenführer Kabila oder gar mit beiden? Schließlich möchte sich nicht einmal Minister Kinkel einen „kritischen Dialog“ mit der Diktatur am Kongo zumuten.

Abgesehen von der Schlacht um die Lufthoheit über Zentralafrika, deren Zeugen wir seit de Gaulles und Kennedys Zeiten sind, stehen sich heute auf schwankendem Boden Mobutu und Kabila gegenüber, um nicht wenige offene Rechnungen aus den Zeiten der Ermordung Lumumbas auszugraben. Nachwehen des Kalten Krieges – und wenn Zaire dabei in Stücke geht, wobei die Anliegerstaaten kaum die unbeteiligten Zuschauer spielen werden. Und wie bei allen lokalen Kleinkriegen zuvor, wird Marschall Mobutu bei seinem letzten Gefecht mehr denn je auf fremde Truppen im Lande angewiesen sein. Die eigene Soldateska hat er quasi ebenso zu fürchten wie die feindlichen Rebellen. Panisch versucht er jetzt, Paris für die Erhaltung seines Einheitsstaates in die Pflicht zu nehmen – ausgerechnet Paris, das in der Vergangenheit die Sezessionen von Katanga und Biafra unterstützt hatte.

Wer im fernen Bonn angesichts dieses Szenarios nach einer zairischen Bundeswehrmission ruft, sollte sein neugewonnenes „weltpolitisches“ Verantwortungsbewußtsein vielleicht besser darauf verwenden, Paris zu helfen, sich am Schopf aus einer brisanten Affäre zu ziehen. Es sei denn, man glaubt, Monsieur Chirac könne nichts vergessen und nichts hinzulernen – wie seine Klienten in Kinshasa. Warum reden wir ständig nur über Flüchtlinge und Soldaten, ehe wir uns durch brauchbare Vorschläge zu einem dauerhaften zentralafrikanischen Friedensplan ins Weltgespräch gebracht haben? Womöglich ähnlich parteiübergreifend wie im Falle von Herrn Gerster und Kompanie. Von der UNO unterstützt könnte die OAU bald eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Zentralfafrika vorbereiten. Hier wäre vielleicht unsere eigene Erfahrung gefragt, was eine nicht gewaltsame, sondern politisch einverständliche Überprüfung von Grenzen betrifft, die künstlich und historisch überholt sind. Michael Naether

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