piwik no script img

Die Macht der KonzerneAus einem Edeka mach' zwei

Verbraucherschützer und Agrarverbände fordern eine Reform des Kartellrechts. Verbraucher würden von mehr Wettbewerb profitieren.

Zum 60. Jubiläum des Kartellamts wird eine Reform des Kartellrechts gefordert Foto: dpa

Die vier Unternehmen Edeka, Rewe, Aldi sowie die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland beherrschen rund zwei Drittel des deutschen Absatzmarktes für Lebensmittel. Die drei großen deutschen Autokonzerne VW, Daimler und BMW überreden die Politik, bei der Einhaltung der Abgas-Grenzwerte ein Auge zuzudrücken. Und Google wickelt 90 Prozent aller Suchanfragen im Internet ab. Mit solchen Beispielen für Marktmacht wirbt ein Bündnis aus Umwelt-, Landwirtschafts- und Entwicklungsorganisationen für ein schärferes Kartellrecht.

Mit dabei sind unter anderem die Aktionsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, Germanwatch und Oxfam. Jutta Sundermann von der Aktion Agrar plädierte am Dienstag in Berlin dafür, „zu mächtige Lebensmittelkonzerne in mehrere Teile aufzuspalten“.

Anlass der Forderungen ist das 60. Jubiläum des Bundeskartellamtes und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Das Kartellamt soll verhindern, dass Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung erreichen. Deswegen darf die in Bonn sitzende Behörde Fusionen untersagen. Außerdem soll der Missbrauch von starken Marktpositionen unterbunden werden.

Tobias Lettl, Juraprofessor an der Universität Potsdam, rät in einem Gutachten, den Schwellenwert für die Definition der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens in der Lebensmittel-, Saatgut- und Pestizidbranche von heute 40 Prozent Marktanteil auf 20 bis 25 Prozent herabzusetzen. Dann könnten das Bundeskartellamt und die EU-Wettbewerbsaufsicht geplante Fusionen von Lebensmittelkonzernen eher untersagen. Möglicher Vorteil für Landwirte und Zulieferer: Gegen kleinere Konzerne können sie sich besser durchsetzen. Die Verbraucher profitieren, weil mehr Wettbewerb herrscht, wenn mehr Firmen auf dem Markt sind.

Lettl sprach sich außerdem dafür aus, ins Gesetz zu schreiben, dass ein Missbrauch von Konzernmacht mit einer sogenannten Entflechtung sanktioniert werden könne. Das bedeutet nichts anderes, als ein Unternehmen wie etwa Edeka in mehrere Teile aufzuspalten, wenn es seine Position zu sehr ausnutzt – und es so zu schwächen. Das wäre eine ziemliche Umwälzung: Wirtschaftspolitiker_innen wollen die jeweils eigenen Firmen auf dem Weltmarkt bislang gern möglichst stark sehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wie habe ich mir das in der Realität vorzustellen? Wird jetzt durch ein deutsches Gesetz Monsanto aufgespalten? Das will ich erst mal sehen. Die gründen doch eher eine auf dem Papier unabhängige Firma, die die Größe einhält und auf dem deutschen Markt verkauft. Oder halt zwei davon. Was genau wird dann besser? Solange kein Wille da ist, sehe ich keinen Weg. Und der Wille muss bei multinationalen Firmen wohl multinational sein.

  • In glücklicheren Zeit hatte ich einen großen und einen kleinen Kaisers in Fuß- und Fahrradnähe. Nun ist daraus ein Edeka (groß) und ein Rewe (klein) geworden.

     

    Folge seitdem: mindestens ein Drittel der regelmäßig eingekauften Produkte muss ich nun woanders besorgen oder weglassen.

     

    Ursachen: starke Einschränkung des Sortiments (Rewe), Wegfall günstiger Bio-Produkte (beide), "Eigenmarken" von schwankender und/oder minderer Qualität zum gleichen Preis (Edeka und Rewe).

     

    Mehr Konkurrenz wäre gut - sie würde die um sich greifenden "Eigenmarken" eindämmen - ihre Kostensenkungspotentiale zu Lasten der Verbraucher und die "no name" Verantwortungslosigkeit für die Produkte.

     

    Zum Beispiel so viel Matsch bei "Eigenmarken"-Nudeln wie in der letzten Zeit hatte ich vorher Jahrzehnte nicht mehr (außer den genannten auch bei weiteren Firmen: ich probiere gern Neues). Falsch hatte ich gedacht, dass diese Art des Lebensmittelbetrugs der Vergangenheit angehört ...

  • Ich verstehe Herrn Kochs Genderlogik nicht. Wirtschaftspolitiker_innen, schön und gut. Aber warum dann Verbraucherschützer, Verbraucher, Landwirte und Zulieferer?