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Die Kunst der WocheFragend am Abgrund

Michaela Eichwald liefert bei Isabella Bortolozzi „Teil 2“ zu ihrer Ausstellung von 2018. Zuzanna Bartoszek entwirft bei Klemm’s einen „Film Noir“.

Zuzanna Bartoszek, „Love Letter“, 2025. Oil on canvas, 120 x 200 cm Foto: Courtesy of the artist and Klemm's, Berlin

T reue Le­se­r*in­nen des taz.plans könnten sich erinnern: Im Herbst 2018 gab es auf der Kunstseite der damals noch wöchentlich in der gedruckten Berliner taz erscheinenden Kulturbeilage eine Kurzbesprechung von Michaela Eichwalds erster Einzelausstellung bei Isabella Bortolozzi. „IST DOCH KEIN ZUSTAND. Ungeklärtheitszustände als Voraussetzung für die Suchende soll dahin gehen“ lautete deren Titel, formuliert in typischer Michaela-Eichwald-Manier, mit der die Malerin sprachliche Assoziationskorridore öffnet, die nirgendwo hinführen, aber zum freien Gedankenpingpong einladen.

Auf den Bildern wiederum – mit schimmernden Farbschichten überzogenem Kunstleder, gab es „schemenhafte Formen“ zu entdecken, „die auch nur so tun könnten, als bildeten sie irgendetwas ab“. Jetzt gerade läuft in der Schöneberger Galerie „Teil 2“, der lose an die erste Ausstellung anknüpft, das Einladungsmotiv der ersten zitiert – eine Hand, die ein aus Keramik nachgebildetes Smartphone von Felix Thiele hochhält – und auch sonst mit dem fortfährt, womit Eichwald 2018 begonnen hat.

Michaela Eichwald, „Familie“, 2025, Acrylic, enamel, lacquer on pleather Foto: © Graysc; Courtesy the artist and Galerie Isabella Bortolozzi

Von figurativ anmutenden Elementen hat sie sich allerdings etwas entfernt. Nur auf einzelnen lässt sich Etwas klar erkennen, wie auf einem unbetitelten Hochformat zwei gezeichnete Stühle unter einer Regen­wolke. Eher muss man sich in das pure über- und nebeneinander­geschichtete Farbmaterial, aufgetragen zumeist auf Kunstleder, erst mal hineingucken.

Ohne den Anspruch freilich, etwas dechiffrieren zu können, vielmehr mit Lust auf offene Fragen: Sind das Körperteile, die Eichwald da auf „Familie“ gemalt hat. Ein Po? Eine Zunge? Eine Brust? Ist das ein menschliches Profil auf „Der Künstler muß ein gottverdammter Held sein“? Was verbirgt die dunkelbraune Wolke, die sich über das zarte „nicht-diskursiver Wahrheitsgehalt bei gleichzeitigem Rätselcharakter des utopischen Kerns“ schiebt? Etwa den „utopischen Kern“? Und welche Internetabgründe inspirierten die Künstlerin zu dem dick, fast schon skulptural, mit Schellacktinte und Lack zugeschmierten „Täglich bis zu 40.000 hate-impressions mit unseren Rantnern im Forum“?

Vorführung im leeren Saal

Ähnlich wie Michaela Eichwald arbeitet Zuzanna Bartoszek mit Sprache und mit Malerei, ist aber in ihrer Ausdrucksweise erzählerischer, poetischer. Bartoszek ist 1993 im polnischen Poznań geboren, malt mit Öl auf Leinwand und Gouache auf Papier oder sie schreibt Prosagedichte. Was es jeweils wird, entscheide sie ganz spontan, hat die Künstlerin bereits in mehreren Interviews erklärt.

Die Ausstellungen

Michaela Eichwald: Teil 2. Galerie Isabella Bortolozzi, bis 12. Juli, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Schöneberger Ufer 61

Zuzanna Bartoszek: Film Noir. Klemm's Downstairs, bis 5. Juli, Mi.–Sa. 12–18 Uhr, Leipziger Str. 58,

Manchmal wird es aber auch einfach beides. Die neun Gemälde der Künstlerin, die ihre aktuelle Ausstellung bei Klemm’s bilden, geistern um das Thema des „Film Noir“ herum, wie auch ihr Text, der dort ausliegt. „Film Noir. 3 Steps“ greift einige der gemalten Motive auf, ohne jedoch eine stringente Erzählung zu ergeben, eher scheint es so, als wolle sie mit diesem ihr Publikum auf das eine oder andere Detail aufmerksam machen. Auf die Sitznummern 14 und 15 etwa, die sie auf „Kino II“ übergroß markiert hat.

„Kino II“ zeigt einen geheimnisvollen Kinosaal, die Reihen sind leer, obwohl der Film schon zu laufen scheint. Manche der weiteren Bildmotive wirken wie Ausschnitte aus einem Storyboard. Zwei angedeutete Personen, die sich im Mondschein begegnen, im Schein einer Stehlampe, mit einem weißen Kaninchen als Zeuge. Eine Kussszene. Der Eingang zu einer Höhle. Ein Selbstporträt, auf dem sich Bartoszek einem Paternoster-Aufzug nähert. Die rote Tür zu einem „Späti“, um die Personen herumlungern – eine, die aufs Handy starrt, ein umschlungenes Paar Schatten und eine altmodische Straßenlaterne.

tazplan

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Vergangenheit und Gegenwart vermischen sich immer wieder: Auf einen mit Siegel verschlossenem Brief, ein „Love Letter“, wurden die ersten Ziffern einer deutschen Handynummer gekritzelt. Wie schnell hingepinselt wirken ihre Sujets, traumverhangen, symbolhaft aufgeladen, ähnlich ein wenig der Malerei der Transavanguardia, nur mit zeitgenössischem Twist. Bartoszek benutzt Farben und Mischtöne, um Stimmungen hervorzurufen, düstere, wie eben in einem Film Noir. Schwarze Punkte sind ein häufiges Bildelement, sie wirken wie Einschusslöcher. Dieser Film wird vermutlich kein gutes Ende nehmen.

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Beate Scheder
Kulturredakteurin
Redakteurin für Berlinkultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Kunstkolumnistin beim taz Plan.

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