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Die Kunst der WocheIm Haus der Farbenlehre

Das Mies van der Rohe Haus zeigt in seinen Räumen Collagen aus Farbtafeln und monochrome Malereien von Andreas Barth. Ein Fest für die Augen.

Farbtafel trifft auf Tageslicht: Blick in die Ausstellung von Andreas Barth Foto: © Michal Kosakowski; Courtesy Mies van der Rohe Haus

Sprechen wir von Farbenfreude. Nichts anderes herrscht gerade im Mies van der Rohe Haus und um das Mies van der Rohe Haus herum. Da sind zunächst die Bäume im Garten, die sich langsam in Orange-, Gelb- und Rottönen zu sehen geben. Unter ihnen das Gras, das in der Herbstsonne saftig hellgrün aufscheint. Der Blick auf das dahinter schimmernde Wasser des Obersees beruhigt die Sinne, so als ob sie nach langer Überreizung endlich wieder wahrnehmungsfähig sind.

Und kaum öffnet sich auf diese Weise der Blick, regt eine Gruppe Kraniche am klaren Himmel eben diese Sinne auf ganz neue Weise an, so wie sich die Vögel, die dort oben als Umrisse erscheinen, in ungewohnt großer Zahl und in wilden Formationen auf die Baumwipfel zuzubewegen scheinen, nur um im letzten Moment wieder in die Höhe zu steigen.

Schöner könnte ein Ankommen nicht sein. Zumal zur Einstimmung auf die Ausstellung von Andreas Barth sogar die sanft eingefassten Fenster des Baus, die bis zum Boden reichen, zu einer zweiten, subtilen Rahmung für die Bilder und Collagen werden, die der Künstler in seiner Ausstellung zeigt.

Im ersten Raum sind farbenreiche Kompositionen zu sehen, für die Barth Farbkarten arrangiert, die er seit vielen Jahren sammelt. In immer neuer Dichte und Anzahl tummeln sich diese Farbkarten in gedeckten Tönen hinter Glas, sie treten als Serien in Vierer- und Zweiergruppen auf, in Form von größeren und kleineren Rechtecken und Quadraten – oder als Einzelbild, in dem die Karten, in die Horizontale gestreckt, zusammenkommen.

Die Ausstellung

„Ich ging am Tage so für mich hin …“ Arbeiten von Andreas Barth im Dialog mit Fundstücken aus der Designsammlung Podlasly. Mies van der Rohe Haus. Bis 24. 11., Di.–So. 11–17 Uhr, einschließlich Feiertage, Eintritt frei, Oberseestr. 60

An der Kopfwand finden hier je zwei Bildpaare mit vertikal angeordneten Rechtecken zu einer Vierergruppe zusammen. Die zwei oberen Arbeiten von 2022 tragen den Titel „Nu-Hue Custom Color“, die beiden Bilder von 2011 darunter sind mit „Nu-Hue Custom Color N.Y.“ betitelt. Der feine Unterschied im Namen mutet so subtil an wie die Perforationen, die beim Herantreten an die Bilder zum Vorschein treten. Sie unterteilen jedes der 20 Rechtecke, die sich je in einem der vier Rahmen befinden, in wiederum 15 kleinere Rechtecke, sodass wir es am Ende mit 300 Elementen zu tun haben oder – in der Gruppe der Vier gesprochen – mit ganzen 1.200 Farbräumen.

Eine kleine Recherche zur „Nu-Hue Custom Color“ führt zur Firma Martin-Senour, die sich seit 1928 auf Autolacke und Farbmischungen für Industrie und Haushalt spezialisiert. Auf Ebay-USA sind Werbeanzeigen der Firma zu erstehen. Eine der Anzeigen stellt die wunderbare Frage „Was meinen Sie mit ‚ROT‘…“ und kommt dabei ganz ohne Fragezeichen aus – kann Rot doch, so steht es darunter, knallig und vibrierend sein, sanft und warm oder hell und delikat.

Bei anderen Arbeiten wiederholt sich der Effekt der Unterteilung, jedoch sind es hier keine Vorstanzungen, die die Weitergabe der Farbproben an Kun­d:in­nen – oder Künst­le­r:in­nen – antizipiert, sondern verschiedene Oberflächen, die den gleichen Farbton unterschiedlich erscheinen lassen, je nachdem ob sie matt belassen oder glänzend versiegelt sind.

Sammlung von Farbtafeln auf einem Thonet Schlaufentisch Foto: © Michal Kosakowski; Courtesy Mies van der Rohe Haus

Es sind diese Nuancen und Feinheiten in Tonalität und Stimmung, die Barth mit seinen minimalistischen Arbeiten ertastet. Zum einen über das beschriebene Arrangement von Farbkarten, die im Raum auch in Kästen und zu Farbfächern ausgebreitet ausliegen – mal industriellen, mal pädagogischen Ursprungs – und so auch noch einmal in dem verheißungsvollen Zustand erfahrbar werden, den sie bereits im Stadium des Displays beziehungsweise des Eintauchens in Farbenlehre in sich tragen.

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Zum anderen taucht Barth in eigene Farbfindungsprozesse ein, wenn er für seine monochromen Gemälde Leinwände mit Acrylfarbe überzieht, wobei ihm, sobald der Farbton im Baumarkt bestellt und angemischt ist, ein Farbroller ausreicht. Bereits bei der Eingangstür des Hauses hängen zwei dieser Bilder, die die Farbkarten ins Überdimensionale zu übertragen scheinen. Und damit auch nicht dicht an dicht gehängt werden, sondern frei in den Raum.

Im hinteren Bereich birgt die Ausstellung einen weiteren konzeptuellen Clou. Auf einem Tisch ausgebreitet, spiegeln Glastabletts der Firma Rufra-Wasungen aus der Designsammlung Podlasly das Spiel mit wiederkehrenden Formen und Farben, die individuell kombiniert unendliche Variationen freisetzen.

Rufra-Wasungen-Serviertabletts aus der Sammlung Podlasly

In den Fensterscheiben spiegelt sich derweil das Laub der Bäume aus dem Garten, es fällt als Schatten auf vier Acrylgemälde von Barth an der Wand, die in klarem Grau-Grün, sanftem Himmelblau, vibrierendem Orange (oder etwa Rot?) und hellstem Grau zusammenhängen. Ganz so als sei man, von der Reise verändert, wieder zum Anfang zurückgekehrt.

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