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Die Kunst der WocheIn magischer Begleitung

Die Ausstellung “Surrealismus und Magie“ zeigt Künstler-Magierinnen wie Leonora Carrington. Fotograf Matthias Hagemanns prägt den New Yorker Himmel.

Kopf in den Nacken: Matthias Hagemann fotografiert den Himmel über New York Foto: Matthias Hagemann

Was für ein Bildtitel: „Der zu Tode erschrockene Planet“! Da muss es sich, meint man, um ein Gemälde von heute handeln. Um die Darstellung der durch die nicht mehr enden wollende Hitze des Mittags in Panik versetzten Erde. Tatsächlich entstand das Bild mit diesem Titel 1942 und Max Ernst, sein Schöpfer, bezog sich mit ihm auf den Zustand der Welt während des zweiten Weltkriegs. Das Gemälde, das durch eine Art Totempfahl zweigeteilt Chaos und Zerstörung auf der rechten und Ordnung und Harmonie auf der linken Bildseite zeigt, ist eine von insgesamt 90 Arbeiten von etwas mehr als 20 Künstlern und Künstlerinnen, der jetzt leider zu Ende gehenden Ausstellung “Surrealismus und Magie. Die verzauberte Moderne“ im Museum Barberini in Potsdam.

Das Barberini konnte für die Schau, die in Kooperation mit der Peggy Guggenheim Collection in Venedig entstand, exquisite Leihgaben von rund 50 Museen und Privatsammlungen aus aller Welt nach Potsdam holen, berühmte Ikonen, aber auch weniger bekannte Werke und eben auch neun Arbeiten aus der Sammlung von Peggy Guggenheim, die die Villa am Canale Grande so gut wie nie verlassen. Natürlich war der Surrealismus immer mehr gewesen als zerlaufene Uhren und aus dem offenen Kamin heraus tuckernde Eisenbahnen. Dass aber Schlüsselbegriffe der Alchemie wie der der Königlichen Hochzeit einen geeigneten Untersuchungsrahmen bilden, genauso wie die Beschäftigung mit den vier Aspekten des Okkultismus und magischen Praktiken, bei der Entstehung wie bei der Entschlüsselung der Bilder, ist ein interessanter anderer Ansatz.

Und er führt dazu, dass andere Künstler und vor allem Künstlerinnen als die üblichen – hier mit großartigen Werken vertretenen – Max Ernsts, Rene Magrittes, Yves Tanguys oder de Chiricos präsentiert werden. Remedios Varo etwa, ihr Gemälde „Himmlischer Brei“ (1958) zeigt eine junge Frau, die in einem Pavillon an einem Gerät sitzt, mit dem sie die Sterne vom Himmel holt, um aus ihnen ein Püree zu machen, das sie an einen mageren, im Vogelkäfig sitzenden Sichelmond verfüttert. Ihr altmeisterliche Stil wird besonders deutlich in „Der Uhrmacher (Offenbarung)“ (1955). Neben diesem als Wissenschaftler und Zauberer dargestellten Mann, dem die Zahnrädchen und –kränze der Uhren wie Sterne vom Tisch purzeln, fällt die Katze am Boden auf, die ein magisches Begleittier sein könnte, ein sogenannter Famulus.

Eine monumentale Bronze-Skulptur, „Der große Unsichtbare“ (1947/64) von Jacques Hérold weist gleich mehrere alchemistische Symbole auf wie das Zusammenspiel von Sonne und Mond, das auf das Motiv der „Königlichen Hochzeit“ verweist, die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau, oder wie der runde Bauch, der wirklich wie ein Ofen ausschaut, nur dass es sich um den sogenannten Athanor, den Schmelzofen der Alchemisten handelt. Endlich begegnet man auch Arbeiten von Roland Penrose, manchen mehr als Mann von Lee Miller, denn als surrealistischer Maler bekannt. Was vielleicht nicht wundert, hatte er doch als Autor, Kurator und Galerist viel beschäftigt, zeitweilig die eigene Malerei aufgegeben. Sein „Geflügelter Domino“ (1938) ist ein Portrait seiner ersten Frau, der surrealistischen Schriftstellerin Valentine Boué, die er als Hexe sieht mit Macht über die Natur, was durch die Schmetterlinge und Vögel symbolisiert ist, die ihre Augen und den Mund besetzen.

Leonora Carrington, Großmutter Moorheads aromatische Küche, 1975 Foto: The Charles B. Goddard Center for the Visual and Performing Arts, Ardmore, OK © VG Bild-Kunst, Bonn 2022 / Abb.: The Charles B. Goddard Center for the Visual and Performing Arts, Ardmore, OK

Ein allein Leonora Carrington gewidmeter Raum ist vielleicht der großartigste der Ausstellung. In der Konsequenz ihrer absoluten Faszination von Esoterik und Okkultismus sah sie sich selbst als Künstler-Magierin, die mit unsichtbaren Kräften in Kontakt stand und diese in ihre, in Feinmalerei ausgeführten Bilder kanalisierte. Kein Hexengebräu ist dann auch so herrlich schön wie „Grandmother Moorhead’s Aromatic Kitchen“ (1975) mit der riesigen weißen Gans. Dass magischen Absichten mit der Kunst von Anfang an verbunden sind, meint denn auch Sigmund Freud, dessen 1913 erschienene Studie „Totem und Tabu“ unter den Surrealisten hohe Wertschätzung erfuhr. Wie aber die dann doch deutlich spürbare Beschäftigung der ausgestellten Bilder mit Krieg und Faschismus zeigt, ist magisches Denken freilich auch ein Krisensymptom. Was die Ausstellung so anschlussfähig macht, wie die vielfach zu beobachtenden surrealistischen Bezugnahmen in der aktuellen Kunst zeigen.

Der Himmel hat einen Preis

Die Ausstellungen

Surrealismus und Magie. Verzauberte Moderne, Museum Barberini, täglich außer dienstags 10–19 Uhr, bis 29. Januar, Alter Markt, Potsdam

New York Sky. Fotografien von Matthias Hagemann, ep. contemporary, Do.+Fr. 15 – 18.30 Uhr, Sa. 14–18 Uhr, bis 18. Februar, Pohlstr. 71

Dem Surrealismus zuschreiben könnte man Matthias Hagemanns Fotoserie „New York Sky“ im Projektraum ep.contemporary durchaus. Das liegt an dem Fingerabdruck, der gleichermaßen unmotiviert wie magisch in diesem New Yorker Himmel hängt. Denn das hat der Fotograf getan: er hat sich in die Straßenschluchten seiner Nachbarschaft in Manhattan gestellt und von dort die Kamera Richtung Himmel gehalten und diesen fotografiert. Und so sieht man auf superben Prints ganz unterschiedliche, in den Himmel ragende Gebäude, ein Stück vom Himmel selbst und ebenjenen ominösen Fingerabdruck.

Tatsächlich ist er doch motiviert, denn er möchte, wie der ausliegende Ausstellungstext besagt magisch, nein, selbstverständlich „grafisch Anspruch und Zugriff auf den Himmel“ markieren. Denn der New Yorker Himmel hat nicht nur ein ganz besonderes Licht, wie alle wissen, die einmal dort waren und das ungeheure Strahlen des Sonnenlichts wie die abgrundtiefe Schwärze des begleitenden Schattens erfahren haben. Der New Yorker Himmel hat auch einen Preis.

Was dem ursprünglich als Architekten ausgebildeten Fotografen vielleicht mehr als anderen auffällt: Auf dem begrenzten Raum von Manhattan gehen die Gebäude immer mehr in die Höhe und dabei verdunkelt sich die Umgebung mehr und mehr. Nur wer ganz oben wohnt, lebt sprichwörtlich on the sunny side of life. Entsprechend werden die „Air Rights“, der Luft- und Lichtraum um die geplanten Neubauten, von Investoren und Rechtsanwälten zu astronomischen Summen gehandelt.

Der Fingerabdruck in den Schwarz-Weiß-Abzügen, die mal quadratisch, mal im Hochformat abgezogen sind und in ungewöhnlicher Brillanz das Licht und die Architektur New Yorks auf dem Papier festhalten, ist eigentlich ein Fragezeichen. Am Ende der Frage nach dem wirklichen Surrealismus der Welt, die da lautet: Darf ein Individuum oder eine Gruppe den Himmel besitzen, verkaufen, zerstören?

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