Die Kunst der Woche: Die Rabenkinder
Explodierendes Archiv: „Exzentrische 80er“ im Kunstverein Tiergarten zeigt Arbeiten von Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen und Rabe perplexum.

Dass eine Ausstellung wie „Exzentrische 80er: Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen, Rabe perplexum und Kompliz*innen aus dem Jetzt“ das Zeug zur Dauerausstellung hat und sich gleichzeitig diesem kanonisierenden Impuls subversiv widersetzt, ist schon eine Leistung. Zumal dies dem Ansatz der drei Künstler:innen entspricht, die hier im Zentrum stehen. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass hier Künstler:innen, nämlich Ergül Cengiz (3 Hamburger Frauen), Philipp Gufler und Angela Stiegler, mit Kunsthistoriker:innen, Burcu Dogramaci und Mareike Schwarz, für die Kuration zusammengearbeitet haben. So lebhaft und dialogisch sind Ausstellungen selten.
Anstatt die Werke der drei zu trennen, sind sie ineinander greifend präseniert. Auf den ersten Blick ist nicht trennbar, wer hier grade agiert, was widerum das Schaffen der drei Künstler:innen spiegelt, die Präsentationsräume für andere schufen, gerne Banden bildeteten, und hier auch selbst geremixed werden.
So wie Rabe perplexum in der Arbeit „Becoming Rabe“ von Philipp Gufler. Der Rabe ruft und knarzt über die Videokabine hinaus. „Dieses Zitat explodiert“, schallt es noch. „2 Maler, 1 Rabe <leider in menschl. Verkleidung“ heißt es weiter in den Plakaten zu Rabes Mal-Happenings im Abraxas-Kollektiv und das Tier-Werden von Rabe, der zeitweise mit einem Geier kollaborierte, transportiert sich in seiner sprengenden Kraft gegenüber menschengemachten Geschlechterbildern.
Exzentrische 80er, Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten, Di.–Sa. 12–19 Uhr, bis 4. 2., Turmstr. 75
Filmabend Rabe Perplexum & Gespräch zwischen Elfe Brandenburger und Burcu Dogramaci: 19. 1., 19 Uhr (davor Ausstellungsrundgang um 18 Uhr)
Drei ist hier die magische Zahl, denn die Künstler:innen aus München, Hamburg und Berlin wurden und werden mit der Wanderausstellung, die von einer b_books-Publikation begleitet wird, in allen drei Städten gewürdigt (Last Stop: Kunsthaus Hamburg, 25.3.–21.5.2023). Flankiert werden Tabea Blumenschein (1952−2020), Hilka Nordhausen (1949−1993) und Rabe perplexum (1956−1996) von weiteren, heutigen Positionen – „aktuell“ will man sie nicht nennen, dann die Herangehensweisen aus den 80ern wirken hier weitaus aktueller als so manche Position auf dem hiesigen Markt der Vereinzelung.
Vielleicht war eine Künstler:in wie Hilka Nordhausen darum auch weltweit bekannter war als in Deutschland. Mit ihrer „Buch Handlung Welt“ schuf sie Ende der 70er einen Hamburger Projektraum. Oder, wie Michael Kellner es in seinem Nachruf auf Nordhausen für die taz Hamburg 1993 fomulierte, der hier ausliegt: ein „Gesamtkunstwerk“. Denn an diesem Ort entzogen sich schon allein die 60 Wandarbeiten von Künstler:innen wie Vlado Kristl, Elfi Mikesch oder Albert Oehlen der Marktlogik. Was dort temporär auf auf 5,70 x 3,20 Metern auftrat, wurde wieder überstrichen und verschwand unter dem nächsten Bild.
Nordhausens „Untersuchungen zur Handreichweite“ (1974) sowie ihre Übermalungen von Katalogen oder dem Stern-Magazin sind überlegt, eindringlich. Wie so vieles, das sich hier als Archiv entblättert, mit kritischer Distanz, wo es nötig ist, und mit Ironie, wo es einleuchtet: „Künstleridioten“ heißt das dann in der Zeichnung von Cosy Pièro, die in München ab Anfang der 60er die legendäre queere Künstlerbar „Bei Cosy“ betrieb. Ein Ort, dem Rabe perplexum ca. 1984/85 mit dem Pinsel scheinbar eine Hommage malte, oder zumindest dem Gefühl, das er vermittelte – dazu sich selbst als buntes Federvieh, serviert auf einem Tablett.
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