Die Kunst der Woche für Berlin: In der Zettelwirtschaft

In ihren seriellen Raumskizzen bei SOX codiert die Künstlerin Christel Fetzer drei Jahre Kommen und Gehen in einer Bar. Auch Zigaretten fehlen nicht.

Blick in das Ausstellungsschaufenster SOX: An der Kopfwand hängen serielle Zeichnungen von Christel Fetzer, die immer den selben Barraum zeigen, der in verschiedenen Farben gezeichnet ist. Unter den Zeichnung sind mit Zigarettenstummeln gefüllte Aschenbecher aufgereiht

Nicht nur an der Bar, auch im Fenster bilden sich Schlangen: Christel Fetzer bei SOX Foto: Courtesy the artist

Endlich mal wieder eine Ausstellung, wo geraucht werden durfte. Im SOX-Schaufenster auf der O-Straße reihen sich die Aschenbecher aneinander, dahinter stapeln sich Christel Fetzers Skizzen in rotem Marker, schwarzem Kuli und allerlei überlappenden Farben, hinter denen sich mit Sicherheit eine Reihe von Codes verbergen. In jedem Fall deuten die immer den gleichen Raumausschnitt erfassenden seriellen Zeichnungen auf ein ausgeklügeltes System aus Notizen, Strichlisten und Zahlenkombinationen hin.

Die Zettel in DIN A5 nehmen die ganze über zwei mal drei Meter verlaufende Rückwand des vielleicht schmalsten Projektraums Berlins ein und bilden Fetzers Barschichten der letzten drei Jahre ab: wer kam und ging, wer wie viel auf dem Deckel stehen hatte, wer die Rechnung für alle beglich, wer anschrieb, wer die Zeche vergaß oder gar nicht erst zahlen konnte.

Der Titel „Kippenberg & Kuli“ referiert Zigarettenstummel und Schreibgerät, ruft aber für einen Moment auch Martin Kippenbergers berüchtigten Deal mit der Paris Bar ins Gedächtnis: Bewirtung gegen Kunst.

Christel Fetzer: „Kip­pen­berg & Kuli“, SOX, Oranienstr. 175, bis 3. 9., 24 Stunden einsehbar

In Fetzers Bar, deren Name offenbleibt, ist das Setting weniger einschüchternd, dafür sorgen allein die ins Schaufenster transportierten bunten Aschenbecher, von denen keiner zum nächsten passt. Die Künstlerin, die selbst abends hinter der Theke steht, deren Umriss sich wiederum hier in jeder neuen Bildmitte so wunderbar wiederholt, würdigt in ihren gezeichneten Notizen vor allem die Gäste, die zwar nicht zu sehen, deren Bewegungen und Angewohnheiten jedoch zugegen sind.

Die Künstlerin, die ihre Installationen in solch unmittelbar räumliche Kategorien wie „Stapel und Haufen“, „Zäune und Wände“ oder „Hütten und Container“ sortiert, bespielt hier mit SOX einen Ort, der hinter transparentem Glas und mit dem Zuschauerraum im Freien auf der Grenze zwischen indoor und outdoor balanciert.

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Mit „Dort“ hat Fetzer auch die aktuelle Kunstinstallation im Rosengarten des Gartendenkmals Treptower Park gestaltet, die noch bis Ende Oktober frei zugänglich ist und in Form einer begehbaren „Schutzhütte“ ein Stück Himmel freigibt. Und was ist eine Bar, wenn nicht eine Schutzhütte?

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