Die Knigge-Frage: Kopfhörer in der Öffentlichkeit?
Hallo! Hallo? Leerer Blick, keine Reaktion. Stattdessen: Sanfte Bässe, die die Menschen im Zehn-Meter-Umkreis beschallen. Unhöflich? Oder okay?
Es gibt Tage, da ist man einfach nicht bereit für die Welt. Weil sie zu laut ist und zu hell, weil sie einem mit Straßenlärm und klingelnden Handys mehr abverlangt, als man ertragen kann. An diesen Tagen ist der Mp3-Player der einzige Freund. Herrlich dieser Moment, wenn die Musik in neuronale Energie umgewandelt wird, das limbische System erreicht und dort – bäm! – explodiert.
Manchmal explodiert aber noch etwas anderes, nämlich der Sitznachbar in der U-Bahn. „Hallo, Sie da, könn’Se mal die Musik leiser stellen“, liest man von gekräuselten Lippen ab, während sich ein mahnender Finger in die Schulter bohrt. „Bei den Bässen kann ja keiner …“ Ja, was eigentlich? Schlafen? Lesen? Nachdenken? Entschuldigung, aber: Wer seine Ruhe haben will, der muss zu Hause bleiben. Oder sich Kopfhörer aufsetzen.
Denn wo es Menschen gibt, die nach Schweiß oder Kölnisch Wasser stinken, die laut mit sich selbst, ihrem Nachbarn oder dem Handy reden, die unaufgefordert musizieren, Döner essen, schnarchen oder schlichtweg eine optische Belästigung sind – nein, da ist kein Platz für Dezibelvorschriften.
Warum eine Mutter ihr Kind doch nicht in die Krippe gibt: Die Titelgeschichte „Meiner kommt nicht in die Kita“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21. Juli 2013. Darin außerdem: Die Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland wird dominiert von westdeutschen Männern über 50. An ihrer Spitze steht allerdings eine Frau aus Ostdeutschland. Und: Der Autor Péter Esterházy über die Hölle der Perfektion und das Deutsche in Ungarn. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Übrigens: Unfreiwilliges Mithören kann durchaus erhellend sein. Zum Beispiel wenn man erkennt, dass die Bässe aus dem Kopfhörer des coolen 16-Jährigen neben einem zu „All The Single Ladies“ von Beyoncé gehören.
Doch die Frage beinhaltet noch mehr, nämlich: Entbindet mich der Kopfhörer von meinen Pflichten in der Öffentlichkeit? Selbstverständlich nicht, wenn es um Erste Hilfe und ein gewisses Maß an Höflichkeit gegenüber der Kassiererin im Supermarkt geht. Wer hingegen auf der Straße mit traumwandlerischer Sicherheit genau die Person nach dem Weg fragt, die nicht nur einen Kopfhörer trägt, sondern auch noch beide Hände voll hat, hat von gutem Benehmen nichts verstanden.
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