Die Katastrophe von Fukushima I: Strahlenbelastung steigt weiter
Die Spaltprodukte breiten sich aus. Und das Gemüse beweist, dass auf Tokio ein Fallout niederging. Das Meerwasser um Fukushima I ist inzwischen weiträumig belastet.
BERLIN taz | Wie viel Radioaktivität ist von den sechs Fukushima-Reaktoren in die Umwelt gelangt? Sehr viel, so Berechnungen der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Die Meteorologen rechnen aus dem weltweiten Netz von Messpunkten des Atomwaffen-Überwachungsnetzes CTBTO die Strahlenmengen am AKW-Standort zurück. Demnach sind allein in den ersten drei Tagen nach der ersten Explosion etwa 20 Prozent der Tschernobyl-Menge an Jod-131 ausgetreten und 20 bis 60 Prozent der Menge an radioaktivem Cäsium (www.zamg.ac.at).
Die beiden Elemente Jod und Cäsium stellen die Hauptmenge an gasförmigen Radionukliden innerhalb eines Reaktors dar. Wenn die Brennelemente schmelzen, brennen oder sonst wie beschädigt werden, gelangen diese Gase sehr schnell in die Umwelt. In Tschernobyl gelangte auch eine große Zahl weiterer, nicht gasförmiger Elemente in die Atmosphäre. Die Belastung der Menschen in der Region dort war also umfassender als jene in der Region Fukushima. Allerdings lecken vier der sechs Fukushima-Reaktoren weiterhin. Inzwischen wurden auch Neutronenbelastungen gemessen. Dies deutet auf die Freisetzung von Uran und Plutonium hin. Die Ärzteorganisation IPPNW fordert deshalb, endlich genauere Werte bekannt zu geben.
Vor Ort ist die Belastung genau messbar. In 18 Wasserwerken von sechs Präfekturen sei das Wasser mit Jod-131 belastet, melden die Gemeinden vor Ort. Der Höchstwert lag bei 230 Becquerel pro Liter. Diese Belastung dürfte angesichts der kurzen Halbwertszeit des Jods von 8 Tagen innerhalb weniger Wochen abgeklungen sein. Ein paar hundert Jahre hält sich hingegen radioaktives Cäsium. Auch hier wurden im Wasser wie auf Gemüsen teilweise hohe Werte gemessen.
Das Meerwasser ist inzwischen weiträumig belastet. Direkt in der Bucht der Fukushima-Reaktoren wird das 147fache des Grenzwerts erreicht, so die Betreiberfirma Tepco. Bei Messungen in einem 70 Kilometer langen Küstenstreifen nach Norden und Süden sei das 10.000-fache der üblichen Radioaktivität im Wasser gemessen worden, aber nicht in einem gefährlichen Bereich.
Dass auch über Tokio bereits Fallout niedergegangen ist, beweisen erste erhöhte Messergebnisse bei Gemüse. Bei einem in Tokio angebauten Senfspinat wurde eine Belastung doppelt so hoch wie der Grenzwert festgestellt, 890 Becquerel Cäsium pro Kilogramm Gemüse, so das Gesundheitsministerium. Das Wasser in Tokio ist für Kinder wieder freigegeben, weil die Jod-131-Konzentration wieder unter den Grenzwert von 100 Becquerel pro Liter gesunken ist. Trotzdem ist Mineralwasser in der Metropole weitgehend ausverkauft, meldet die Nachrichtenagentur Kyodo.
Die Regierung fordert angesichts der andauernden Strahlenfreisetzung die Bevölkerung auf, "freiwillig" die Zone zwischen einer Entfernung von 20 und 30 Kilometern rund um den Reaktor zu verlassen. Bisher wurde nur bis zu einem Radius von 20 Kilometern evakuiert. Die gleiche Empfehlung kam von der japanischen Reaktorsicherheitskommission, weil die Freisetzung des Spaltmaterials "noch für einige Zeit" zu erwarten sei.
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