Die Grünen zu Libyen: Krieg ja, aber ohne uns
Die Grünen kritisieren die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat. Doch auch sie wollen keine Beteiligung am Militäreinsatz und betonen lieber die Risiken.
BERLIN taz | Die Grünen tun sich schwer mit dem Militäreinsatz über Libyen. Einerseits kritisieren sie, dass sich Deutschland durch die Enthaltung bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat international isoliert habe. Andererseits betonen sie - wie die Kanzlerin - die Risiken der Eskalation.
Am klarsten fasst der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frithjof Schmidt, das Problem zusammen: "Mehrheitlich befürwortet die Grünen-Bundestagsfraktion die UN-Resolution, weil sie notwendig ist", sagte er der taz. "Eine Zustimmung der Bundesregierung zum UN-Beschluss wäre daher richtig gewesen. Das darf man aber nicht verwechseln mit einem Ruf der Grünen nach einer deutschen Beteiligung am Militäreinsatz über Libyen. Wir halten eine solche auch nicht für geboten."
Also: Ja zur UN-Entscheidung, militärisch einzugreifen, aber Nein zu einer deutschen Beteiligung?
Bereits am Freitag wurde klar, dass die Grünen mehrheitlich für eine Zustimmung zur UN-Resolution waren. Auf einer eilig zusammengerufenen Fraktionssitzung erklärte die deutliche Mehrheit der anwesenden Parlamentarier, ein Ja in New York hätte Deutschland besser zu Gesicht gestanden.
Awacs-Einsatz?
Doch die Grünen fürchten die Folgen dieser Entscheidung. Anstatt nun die eingeführte Flugverbotszone zu verteidigen, betonen sie vor allem deren Risiken. Ihr Sicherheitsexperte Omid Nouripour sagte der taz: "Wie lässt sich verhindern, dass eine Flugverbotszone zu einer Verwicklung in Gefechte am Boden führt? Das ist unklar." Es gebe andere Möglichkeiten, Gaddafi zu bekämpfen, etwa durch ein Waffenembargo, durchgesetzt auch durch vier deutsche Fregatten, die bereits im Mittelmeer kreuzen.
Ähnlich sieht das Tom Koenigs. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte erklärte am Sonntag: "Das kann man nicht hinnehmen, dass ein Diktator seine eigene Bevölkerung hinmetzelt." Daher bedaure er, dass Merkel Weisung gegeben habe, nicht für die UN-Resolution zu stimmen. "Die Kanzlerin hat Deutschland da völlig isoliert, hat die europäische und Nato-Solidarität gebrochen." Doch: "Die Frage, was jetzt die Bundeswehr machen kann, ist eine ganz andere", sagt Koenigs. "Wenn man mit Awacs da etwas helfen kann, sollte man das machen."
Nur Kerstin Müller, die außenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, spricht sich ohne Einschränkungen für den Militäreinsatz aus: "Ich sehe sehr wohl die Risiken", sagte Müller der taz. "Aber in der Abwägung bin ich für eine Flugverbotszone. Aus der internationalen Schutzverantwortung erwächst die Notwendigkeit, einzugreifen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen