Die Grünen nach den Landtagswahlen: Do it like Kretschmann
Kretschmanns Sieg und die Maskenskandale der Union helfen den Grünen im Bund. Baerbock und Habeck haben das Kanzleramt im Blick. Aber wie?
Liefert Kretschmann das Vorbild für die Grünen im Bund? Einerseits: ja, zweifellos. Die Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck lobten den Erfolg des alten und wohl auch neuen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg nach Kräften – und das gute Ergebnis in Rheinland-Pfalz.
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Der Aufwärtstrend der Grünen habe sich noch mal verstetigt, sagte Baerbock am Sonntagabend. Das sei „ein großer Auftrag“ an die Grünen, ein neues Fundament, um Zusammenhalt zu schmieden – in den Ländern, „aber ab Herbst auch im Bund“.
Der Sieg in Stuttgart liefert den Auftakt für ein Superwahljahr, von dem sich die Grünen viel versprechen. Auch im Bund wollen sie CDU und CSU im Kampf um Platz eins herausfordern, als „Underdog“ (Habeck), aber als einer mit Ambitionen. Die Grünen-Spitze spricht inzwischen offen davon, das Kanzleramt im Blick zu haben.
Die Überlegung dahinter: Die beliebte Angela Merkel tritt nicht mehr an, Armin Laschet muss das enttäuschte Merz-Lager integrieren, viele in der CDU wissen nicht mehr, wofür ihr Laden inhaltlich steht. Die mäßige Performance der Unions-Minister in der Coronapandemie und die unappetitlichen Korruptionsaffären von Abgeordneten kommen noch dazu. Angesichts dessen wittern die Grünen ihre Chance, ihre vollmundigen Ankündigungen wahr zu machen.
Germany's next Kanzlerin
„Das Kanzleramt liegt für die Grünen näher, als viele denken“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die erfahrenste Politikerin aus der Führungsriege. „In diesem Wahlkampf ist viel Bewegung drin.“ Ähnlich wie Kretschmann in Baden-Württemberg zielen die Grünen im Bund auf eine bürgerliche, aufgeklärte und ökologisch interessierte Mitte. Der Kampf um die Merkel-WählerInnen könne entscheidend sein, heißt es.
Wie Kretschmann adressieren Baerbock und Habeck seit ihrem Amtsantritt die ganze Gesellschaft, nicht nur die Ökonische. Sie suchen die Nähe zur Wirtschaft und setzen auf eine versöhnliche Sprache, die niemanden ausschließt.
Anders als bei vorherigen Bundestagswahlkämpfen werden die Grünen dieses Mal offensiv auf ihre Führungsfiguren setzen. „Wir haben den Luxus, zwei beliebte und zugkräftige Leute an der Spitze zu haben“, sagte Göring-Eckardt. Personalisierung werde im Wahlkampf deshalb „natürlich eine Rolle spielen“.
Ob Baerbock oder Habeck KanzlerkandidatIn wird, wollen die beiden in den Wochen zwischen Ostern und Pfingsten bekannt geben. Die Entscheidung werde gemeinsam getroffen, heißt es bei den Grünen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Faktisch gibt Baerbock den Ton an. Wenn sie den Job für sich beansprucht, wird ihn Habeck ihr nicht verwehren können – und würde es wohl auch nicht wollen. Baerbock ist in der Partei besser vernetzt als er, und als Frau hätte sie – wie bei den Grünen üblich – den ersten Zugriff.
Die Nicht-Nur-Öko-Partei
Der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner lieferte am Samstag einen kleinen Vorgeschmack, wie die interne Debatte laufen könnte. Er gab auf Twitter bekannt, freiwillig auf die Teilnahme an der „Berliner Runde“ zu verzichten – zugunsten von Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. An der Talkrunde im ZDF hätten sonst von allen Parteien nur Männer teilgenommen.
Für den Rückzug bekam er von vielen Grünen Applaus auf Twitter. Auch Kellner kommentierte den Wahlausgang zufrieden: „Grüne gewinnen auch in schweren Zeiten Wahlen. Das war ein großartiger Auftakt in das Superwahljahr.“
Inhaltlich wollen die Grünen diese Woche einen entscheidenden Aufschlag machen. Am Freitag stellen die Vorsitzenden den Entwurf für das Wahlprogramm vor. Die Grünen wollen sich auf einige eingängige Themen fokussieren. Priorisierung statt Gießkanne, ist das Motto. Und sie werden deutlich machen, dass sie nicht nur Ökologie, sondern alle Themenbereiche von der Innen- über die Arbeitsmarkt- bis zur Finanzpolitik beherrschen. So wollen sie den Anspruch unterfüttern, Verantwortung zu übernehmen.
Aus der Pandemie ziehen sie einige Lehren, zum Beispiel die, den Gesundheitssektor besser auszustatten – und Vorsorge zu betreiben. „Entscheidend wird sein, dass wir uns auch um das Soziale kümmern“, sagte Göring-Eckardt. Menschen dürften nicht abgehängt werden. „Corona hat zum Beispiel gezeigt, dass es im öffentlichen Raum wenig Orte gibt, an denen man sich aufhalten kann, ohne Geld auszugeben. In Städten müssen wir mehr Freiräume schaffen, Begegnungscafés, Musik für alle, mehr Grünflächen.“
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