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Die Frauen in den Nebenreihen

Lidokino I Heute geht’s los in Venedig. 80 Jahre Cinecittà, Virtual Reality, aber auch das ganz gemeine Kino wecken Erwartungen auf ein lebendiges, interessantes Festival

Das ist schon mal ein Alter. Mit 85 Jahren könnten die Filmfestspiele von Venedig, die sich stolz das älteste Filmfestival der Welt nennen dürfen, durchaus feiern – und sich feiern lassen.

Gefeiert wird auch, wobei es in diesem Jahr eher das 80. Jubiläum der Gründung der Cinecittà ist, das seiner runden Zahl halber ins Programm drängt. Eine Reihe mit Dokumentarfilmen aus der Vergangenheit der römischen „Filmstadt“ würdigt dessen Geschichte: von Aufnahmen der Eröffnung durch Benito Mussolini am 23. April 1937 über die Phase im Zweiten Weltkrieg, als die Studios zu Flüchtlingsunterkünften umgewandelt wurden, bis hin zu Einblicken in die Sets von Riesenproduktion wie Willam Wylers Sandalenfilm „Ben Hur“ von 1959 sind sehr unterschiedliche historische Etappen der Filmstudios zu besichtigen.

Ansonsten blickt man zuversichtlich in die Zukunft. Neben den herkömmlich auf großformatige Leinwände geworfenen Filmen setzt man am Lido immer deutlicher auf die virtuellen Möglichkeiten, die das Kino seit einer Weile erprobt. Dem „VR Cinema“ räumt die 74. Ausgabe der „Mostra“, die heute eröffnet wird, nicht nur eine eigene Sektion, sondern sogar neue Räumlichkeiten ein: die 50 Meter westlich vom Lido gelegene kleine Insel Lazzaretto Vecchio mit ihren verlassenen historischen Gebäuden – in früheren Jahrhunderten verbrachte man die Pestkranken dorthin, im 20. Jahrhundert entwickelte sich das heute unbewohnte Eiland zum Tierheim – wurde zum Teil restauriert, sodass an dem Ort jetzt in alten Häusern neues Filmschaffen bestaunt werden kann.

Wie es aussieht, bekommen die Regisseure langsam spürbar Lust an dem jungen Medium, so etwa der Autorenfilmer Tsai Ming-liang aus Taiwan, der einen virtuellen Spielfilm beisteuert. Oder die Künstlerin Laurie Anderson, die sich mit einer VR-Installation am cineastischen Innovationsangebot beteiligt. Man kann gespannt sein, wie sie die Technik einsetzen – und mit welchem Erfolg.

Festivalleiter Alberto Barbera zeigt sich in seinen einleitenden Worten zum aktuellen Programm jedenfalls sehr optimistisch. So optimistisch, dass er das immer wieder gern falsch gedeutete Hegel-Zitat „Was vernünftig ist, ist wirklich“ etwas überschwänglich mit einem persönlichen Update versieht: „Was virtuell ist, ist wirklich“. Man wird sehen.

Doch fürs Erste genügt dem Festival noch das konventionelle Kino, um einiges an Erwartungen zu wecken. Was allemal für den offiziellen Wettbewerb mit Filmen von George Clooney, Ai Weiwei oder Frederick Wiseman gilt. Frauen sind zwar im Wettbewerb kaum vertreten, dafür sitzen sie prominent in der Jury: Wie auch die Berlinale in diesem Jahr hat Venedigs Wettbewerb eine Schauspielerin als Jury-Vorsitzende: Die US-Amerikanerin Annette Bening, im vergangenen Jahr prominent in Mike Mills’„Jahrhundertfrauen“ zu sehen, wird unter anderem mit der ungarischen Regisseurin Ildikó Enyedi, die im Frühjahr in der Berlinale für „Körper und Seele“ den Goldenen Bären erhielt, über die Vergabe des Goldenen Löwen beraten.

Regisseurinnen, junge insbesondere, sind dafür umso mehr in der Nebenreihe „Giornate degli Autori“ zu erleben. Die Österreicherin Ruth Mader, die iranische Künstlerin Shirin Neshat oder die französische Schauspielerin Sara Forestier treten mit ihren Regiearbeiten an. Auch in der Reihe „Orizzonti“ kann man auf verschiedene Filmemacherinnen gespannt sein. Und das gleich zum Auftakt: Eröffnet wird die Sektion mit Susanna Nicchiarellis Biopic „Nico, 1988“ über das letzte Jahr der Pop-Ikone. Sie starb 1988.

Tim Caspar Boehme

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