: Die Farbe von Kaffee
Das Arsenal zeigt queerfeministische, widerständige Filme Schwarzer Regisseur:innen bei „Pioneers of Black British Cinema“

Von Silvia Hallensleben
„You are glorious“, schwärmt der Mann in Safari-Uniform, während eine nur mit Schmuck behängte dunkelhäutige Frau vor ihm tanzt, im Hintergrund Zebrafell und Leoparden-Trophäe. Bald ist der „Colonel“ tot. Eine Collage aus Zeitungsausschnitten erzählt von einer rätselhaften Suizid-Serie bei vielen anderen alten weißen Männern – und von einer geheimnisvollen flüchtigen Frau. Auch ein auf Maisie Blue angesetzter Detektiv verfällt seinen Projektionen Schwarzer Weiblichkeit. Ihren wahren Namen will sie ihm nicht sagen: „Du könntest ihn doch nie aussprechen.“ Den auf einem Keramiktorso (ein Beweismittel) eingeritzten Spruch in unbekannter Sprache übersetzt sie zum Titel des Films: „White Men Are Cracking Up“.
Dieser genre-verspielte und humorvolle Kurzfilm von Ngozi Onwurah ist Samstag im Wedding zu sehen. 2018 hatte das British Shorts Film Festival dort den „Pioneers of Black British Cinema“ (mit Kurzfilmen aus den 60er Jahren) eine Retrospektive gewidmet. Nun kommt – wieder kuratiert von Henning Koch für das Arsenal – eine Fortsetzung mit Arbeiten aus den Jahren 1975 bis 95, als neue Förder- und Vertriebsmöglichkeiten dem Schwarzen Britischen Film stabilere Grundlagen schafften und bald feministische und queere Perspektiven den Diskurs bereicherten. So Isaac Julien, der 1991 in „Young Soul Rebels“ den Mord an einem jungen Cruiser im Park von Dalston zum Anlass nahm für ein munteres Period Piece um schwule Londoner Subkultur der Endsiebziger und Grabenkämpfe zwischen Funk, Punk und rassistischen Skins.
Im Programm als Deutschlandpremiere auch der erste Langfilm eines Schwarzen Regisseurs: „Pressure“ von Horace Ové inszenierte 1975 die Coming-Of-Age-Geschichte eines Westlondoners, der versucht, zwischen elterlichen Ambitionen und Besserwissereien seines älteren Bruders den eigenen Platz zu finden. Sechs weitere Jahre bis in die Zeit von Thatcher und New British Cinema braucht es bis zum zweiten Schwarzen UK-Spielfilm („Burning an Illusion“, Regie: Menelik Shabazz), dessen Heldin (ebenfalls in London) sich als junge Büroangestellte ein kleinbürgerliches Leben wünscht. Doch der coole junge Mann, den sie kennenlernt, empfängt in ihrem Wohnzimmer bald nach bester Macho-Manier Kumpels zu Trunk und Kartenspiel; seinen Job opfert er der „dignity as a black man“. Shabazz’ Film erzählt vielschichtig von damaligen Lebensrealitäten, Polizeigewalt und dem Sexismus auch afrobritischer Männlichkeit, verpackt dies aber in einen politischen Bildungs-Aufbau-Roman. Der führt seine Heldin am Ende in eine gemeinsam Kampflieder schmetternde Black-Power-Frauengruppe. Einen weniger glatten Blick auf Repression und Polizeigewalt wirft ein Film, in dem die jungen MitstreiterInnen des Black Audio Film Collective um John Akomfrah Vorfälle in Birmingham 1985 verfolgen. Dort hatte ein Polizeieinsatz wegen eines Verkehrsvergehens junge Menschen zu vehementem Protest auf die Straße gebracht. „Handsworth Songs“ reflektiert diese dreitägigen Unruhen in einer assoziativen Assemblage aus Bildern, Stimmen und Musik, die dokumentarische Aufnahmen und mediale Zeugnisse der Ereignisse in Resonanz mit atmosphärisch starken Bildern und Impressionen aus der Geschichte der karibischen Arbeitseinwanderung bringen.
Vierzehn Jahre brauchte es von „Burning an Illusion“ bis zum ersten langen Spielfilm einer Schwarzen Frau an der Regie: Ngozi Onwurahs rassimus-kritische Dystopie „Welcome II the Terrordome“, die leider nicht Teil des Programms ist. Dafür aber vier von 1988 bis 1994 entstandene kurze Filme der (als Gast zum Gespräch bereiten) Regisseurin, die sich in höchst persönlichen ästhetisch geschliffenen und verdichteten Miniaturen mit Körper- und Identitätspolitiken auseinandersetzen. So bearbeitet „The Body Beautiful“ kraftvoll Vorstellungen weiblicher ästhetischer Integrität in Auseinandersetzung mit der Brustkrebserkrankung von Mutter Madge, die den Mut hatte, mit ihrem versehrten Körper selbst im Film aufzutreten. „Coffee Coloured Children“ beschreibt eigene Über-Identifikationen um das Aufwachsen in einer weißen Nachbarschaft und traumatisierende rassistische Übergriffe. Und „Flight of the Swan“ (1992) konfrontiert stereotype europäische Hochkultur nach Momenten der Ausgrenzung mit Widerständigkeit; klassisches Ballett mit Stummfilmgestik und nigerianischer Spiritualität: eine kühne filmische Unternehmung, die in nur zwölf Minuten eine Ahnung von den Möglichkeiten neuer kreolisierter kultureller Identitäten entwirft.
„Pioneers of Black British Cinema“: 27. – 29. Juni, City Kino Wedding, jeweils mit Einführung, am Samstag nach dem 18-Uhr-Programm Gespräch mit Ngozi Onwurah
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