■ Mit der Beschleunigung auf du und du: Die EU hat Bedenken
Freiburg (taz) — Nach dem gestrigen Urteil aus Karlsruhe dürfte die Beschleunigung von Verkehrsvorhaben verfassungsrechtlich über den Berg sein. Zwar wurden auch gegen die insgesamt wichtigeren Beschleunigungsgesetze rechtliche Bedenken geäußert. Eine Klage in Karlsruhe dürfte bei der dort offenbar gewordenenen Grundhaltung jedoch nicht erfolgversprechend sein. Helfen könnte lediglich noch die EU.
Zuerst galt das Gesetz, das die Planung von Verkehrswegen beschleunigen soll, nur in den neuen Ländern. Weil es sich dort aber „bewährte“, wurde es als „Planungsvereinfachungsgesetz“ auf Restdeutschland übertragen. Es ermöglicht, die angeblich zu aufwendige Planfeststellung durch eine simple Plangenehmigung zu ersetzen.
Die verfahrensmäßigen Folgen sind gravierend: Es findet keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und damit auch keine Öffentlichkeitsbeteiligung mehr statt. Auch die Naturschutzverbände sind außen vor. Fristen für die Verfahrensbeteilgten wurden extrem verknappt. Klagen gegen solche Schnellgenehmigungen von Autobahn-, Schienen- und Kanaltrassen werden in zugleich erster und letzter Instanz vom Bundesverwaltungsgericht in Berlin entschieden.
Der Berliner Umweltrechtler Hartmut Gassner hielt das Gesetz für „verfassungswidrig, weil bei diesem Verfahren die gebotene Abwägung der unterschiedlichen Interessen nicht mehr gewährleistet sei. Andere Stimmen sahen durch die erstinstanzliche Zuständigkeit eines Bundesgerichts die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes verletzt. In Karlsruhe dürften solche Argumente wohl kein Gehör finden.
Der faktische Wegfall der UVP scheint immerhin auf Bedenken der EU-Kommission zu stoßen. Diese hat ein Beanstandungsverfahren gegen zentrale Teile der deutschen Beschleunigungsgesetzgebung eingeleitet. Letztlich muß der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entscheiden.
Belege dafür, daß gerade das Planungsrecht zu unangemessenen Verzögerungen führt, konnten bisher noch nicht erbracht werden. So höhnte im Vorjahr Everhardt Franßen, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts: „Wie wäre es, wenn der Gesetzgeber es einmal mit einem anderen Mittel versuchte, indem er ein Sabbatjahr einlegt, und die für den Vollzug doch eigentlich zuständigen Länder die Zeit nutzten, um die Durchführung von Genehmigungsverfahren besser zu organisieren.“ Christian Rath
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