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■ Die CSU will das bayerische Polizeigesetz – bundesweitWarmer Aufguß im Sommerloch

Genüßlich kann der potentielle SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder in diesen Tagen verfolgen, wie seine Forderung nach härteren Maßnahmen gegen straffällige Ausländer die konservativen Kräfte in der Union verunsichert hat. Die Sommerpause tut ihr übriges, um die Ratlosigkeit in Bonn noch zu verstärken, weil die meisten Stichwortgeber für Law and order im Urlaub sind.

So greift man zu alten Papieren, um wenigstens medial dem niedersächsischen Wilderer in die Parade zu fahren. Aus der CSU-Landesgruppe in Bonn wird, via Bild und in anonymer Form, wieder einmal der Wunsch nach einer bundesweiten, verdachtsunabhängigen Personenkontrolle laut. Diese Forderung, die unter dem polizeilichen Begriff der „Schleierfahndung“ abgelegt ist, steht ganz oben in einem 12-Punkte-Programm zur Verbrechensbekämpfung, das die CSU im Januar auf ihrer Tagung in Wildbad Kreuth verabschiedet hatte.

Dort forderten die Christsozialen für die ganze Republik, was im blauweißen Freistaat seit Januar 1995 gängige Praxis ist: Innerhalb eines 30 Kilometer breiten Streifens entlang der Grenze sowie auf Bahnhöfen, Flughäfen und allen Durchgangsstraßen darf die Polizei jeden kontrollieren, gegebenenfalls mitnehmen, der ihr verdächtig erscheint und sich nicht sofort ausweisen kann. Das vor zwei Jahren verschärfte bayerische Polizeiaufgaben-Gesetz zielt vor allem auf Schlepper und illegal eingereiste Ausländer ab.

CSU-Programmatik und die Interviewbrocken von Schröder ergänzen sich, als seien sie schon Bestandteile einer Großen Koalition: Beide suggerieren, die kriminelle Gefahr käme ursächlich von außen. Die Nuancierung zwischen beiden Positionen ist nur eine Frage des Standpunktes: Die einen bekämpfen die Kriminalität innerhalb der Landesgrenzen und nehmen dabei in Kauf, auch Inländer ins Kontrollnetz laufen zu lassen, der Niedersachse beschränkt die angebliche Problemgruppe auf straffällige Ausländer, die so schnell wie möglich nach draußen zu verfrachten sind. So verschwimmen, knapp ein Jahr vor der Wahl, die Konturen. Die Partei von Edmund Stoiber und Theo Waigel hat dem SPD-Politiker – noch – eines voraus: Sie ist glaubwürdiger. Denn eine harte Gangart in der Kriminalitätspolitik ist bei der CSU nicht nur allein eine Frage der Wahlkampfstrategie, sondern alltägliche bayerische Praxis. Severin Weiland

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