Die CSU in Not: 50 Prozent minus X
Im Isental läuft ein munteres Anti-CSU-Volksfest und Umfragen deuten auf den Verlust der absoluten Mehrheit. CDU-Chef Huber reagiert mit Steuersenkungsversprechen.
DORFEN taz Fröhlich soll der Protest sein und laut. B-Dur!, fordern die "Biermösl Blosn" entsprechend. "Und wer guad drauf ist, kann auch a bisserl in einen Reggae reinkommen." Kinder in Leiterwagen, Alte am Krückstock, Trachtler und geschmeidige Dorfjugendliche - vielleicht 2.000 Leute sind an diesem Samstag nach Dorfen gekommen auf den Hang beim Aussichtspunkt "Schwammerl", um gegen die Bayerische Staatsregierung zu demonstrieren.
Die CSU will das Isental mit einer Autobahn zerschneiden, um München mit Mühldorf am Inn zu verbinden. Schon lange gibt es Widerstand, denn nur zehn Kilometer südlich der sanftgeschwungenen Landschaft könnte eine Bundesstraße recht unproblematisch zur A94 ausgebaut werden. Aber gerade jetzt ist der Protest besonders unangenehm für die CSU. Der Groll, den sie hier im Isental schon lang hegen, hat aus unterschiedlichen Gründen den ganze Freistaat erfasst.
Die Autobahngegner sind erst vor kurzem beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit einer Klage abgeblitzt, nicht einmal eine Revision ließ das Gericht zu. Das schriftliche Urteil bekamen sie einen Tag nach den Kommunalwahlen im März zugestellt. "Bayerischer Zufall", nennt die Bürgerinitiative den Zustellungstermin und hat Beschwerde eingelegt. Um in Erinnerung zu rufen, worum es geht, sind an diesem Samstag die Menschen zum Musikmachen zusammengekommen.
Posaunen und Trompeten werden ausgepackt, ein selbstgeschnitztes, meterlanges Horn hat einer im Trachtenjancker dabei, seine Frau spielt Blockflöte, der Hund wedelt mit dem Schwanz und vorn schwingt auf einem Heuballen der Kaberettist Gerhard Polt den Taktstock. Der Rest singt: "Ja, am Huaba blos ma jetz an Marsch, Marsch, Marsch. - Ja, der Huaba leckt uns jetzt am Arsch, Arsch, Arsch."
Nicht einmal ein Drittel der Bayern sind laut des neuesten ARD-Bayerntrends mit der Arbeit vom Huaba - dem CSU-Chef Erwin Huber - zufrieden. Auch die absolute schwarze Mehrheit ist knapp fünf Monate vor der Landtagswahl dahin, jene viel beschworenen 50 Prozent plus X, Messlatte jedes CSU-Handelns. 48 Prozent sind zurzeit für die CSU drin. Die SPD kommt auf 23 Prozent, die Grünen auf zehn. FDP und Freie Wähler stehen nach der Umfrage vor dem Einzug ins Parlament mit sechs, beziehungsweise fünf Prozent.
Die Rettung sucht die CSU in Geldgeschenken. Ihr Chef Erwin Huber, einst Finanzbeamte und gerade bayerische Finanzminister, stellt am Montag eine weitgehende Steuerreform vor. In drei Stufen sollen die Steuern ab 2009 gesenkt werden. Am Ende sollen die Bürger um 28 Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden, verspricht Huber vorab im Focus. Dazu gehört natürlich Bayerns Lieblingsprojekt, die Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer.
Auch an den Steuersätzen soll geschraubt werden. "Den Eingangssteuersatz senken wir auf zwölf Prozent", sagte Huber als ob das Gesetz kurz vor der Ausfertigung stünde. Der Grundfreibetrag soll einheitlich auf 8.000 Euro herauf gesetzt werden. Der Spitzensteuersatz soll erst bei 60.000 Euro und nicht wie bisher bei 52.000 Euro greifen. Schließlich sollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge besser abgesetzt werden können. Die Finanzierung der Steuersenkungen sei gesichert, beteuert Huber. Schließlich nehme der Staat 2012 rund 100 Milliarden Euro mehr ein als dieses Jahr.
Glauben mag das allerdings keiner und so zeichnet sich ein ähnliches Umsetzungs-Debakel ab, wie es Huber vergangene Woche im Berliner Koalitionsausschuss erleben musste. Nicht nur Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ätzt gegen die Steuerentlastungen: "Die CSU verspricht den Menschen diese ,Reform` nur, um ihre schlechten Umfragewerte zu verbessern", sagte der SPD-Vize der. Auch in der CDU verweist man auf die laufende Entschuldung, die nicht gefährdet werden dürfe. Der nordrhein-westfälische Regierungschef Jürgen Rüttgers sagte am Wochenende lapidar: "Eine große Steuerreform steht aktuell noch nicht an".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Deutsche und das syrische Regime
In der Tiefe