piwik no script img

Die Bankenkrise in den USA"Das ist der Anfang"

Finanzautor Münchau befürchtet, dass die Krise der Banken auch auf Deutschland überspringen könnte.

Tarik Ahmia
Interview von Tarik Ahmia

taz: Herr Münchau, die erste US-Großbank ist jetzt der Finanzkrise zum Opfer gefallen. Drängen sich Vergleiche mit der Weltwirtschaftskrise in den 20er Jahren auf?

Bild: archiv
Im Interview: 

WOLFGANG MÜNCHAU, 46, ist Autor des

Finanzkrisenbuchs "Vorbeben" und leitet den Informationsdienst Eurointelligence.com.

Wolfgang Münchau: Wir erleben zurzeit eine der größten Finanzkrisen der Weltgeschichte. Das heißt aber nicht, dass es so schlimm kommt wie in den 30er Jahren. Heute können wir anders damit umgehen. Im Moment platzt aber eine Riesenblase, die sich seit Mitte der 90er Jahre akkumuliert hat. Die Leute haben Risiken auf sich genommen, die komplett wahnsinnig waren. Möglich wurde das durch extrem billiges Geld, die starke Deregulierung der Finanzmärkte und neue, komplexe Finanzprodukte.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Krise auf andere Banken übergreift?

Die Gefahr ist hoch. Denn wenn das Vertrauen einmal weg ist, können Banken innerhalb von Tagen Pleite gehen. Die Großbanken haben viel Geld an Hedgefonds verliehen, die wegen der Krise nun panikartig verkaufen. Aber das Kapital der Banken ist Peanuts gegenüber den Schulden, die angehäuft wurden. Wenn da ein Run losbricht, gibt es keine Institution, die das ohne Hilfe überlebt.

Müssen sich europäische Anleger auch Sorgen machen?

Bisher haben sich in Europa nur ein paar kleine Banken die Finger verbrannt. Niemand kann aber ausschließen, dass durch die Krise auch eine europäische Großbank Pleite geht. Spanien hat eine ähnliche Immobilienblase wie die USA sie haben. Wenn eine große spanische Bank Bankrott geht, schwappt das auch auf Deutschland über. Glauben Sie nicht, dass wir am Ende der Geschichte sind. Wir sind jetzt an dem Punkt, wo die Krise öffentlich wird. Was den Schmerz angeht, sind wir erst am Anfang.

Wieso haben die Banken die Risiken unterschätzt?

Es war noch nie so leicht, Risiken mit Krediten abzusichern. Viele Marktteilnehmer sind extreme Risiken eingegangen, weil sie wussten, dass der Steuerzahler zahlt, wenn es knallt. Das ist ein "Sozialismus für Reiche": Die Gewinne werden privatisiert und die Verluste sozialisiert.

Wie kommen die US aus der Krise heraus?

Der US-Steuerzahler wird für die Schulden bezahlen müssen. Am Ende wird der Staat einen Großteil des Finanzsektors verstaatlichen. Ähnliches ist in den USA schon bei der Savings-&-Loans-Hypothekenkrise in den 80er Jahren passiert.

Wie viel wird das kosten?

Wir reden von riesigen Summen, die noch schwer zu beziffern sind. Die Größenordnung schwankt aber zwischen 5 bis 20 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA (zwischen 700 Milliarden und bis zu 2,7 Billionen US-Dollar; Anm. d. Red). Das Finanzsystem wird aber nicht zusammenbrechen: Denn letztlich hat der Staat die Hoheit über das Geld und damit die Handlungsfähigkeit. Es wird deshalb keine Kernschmelze geben. Die Frage ist nur, zu welchem Preis die Krise überwunden wird?

Die Finanzkrise treibt auch den Euro auf Höchststände. Was bedeutet das für die deutsche Exportwirtschaft?

Nicht sehr viel. Kurzfristig sind die deutschen Exporte gut vor Währungsschwankungen geschützt. Viele Produkte aus Deutschland sind außerdem oft konkurrenzlos.

Die Nachfrage reagiert erfahrungsgemäß daher auch wenig auf Preisschwankungen. Nur wenn der Euro langfristig auf 1,60 Dollar oder höher bleibt, dann bekommt Deutschland Probleme.

Sind komplexe Finanzprodukte wie Derivate zu gefährlich, um sie allein den Banken zu überlassen?

Auf jeden Fall. Weder Regulatoren noch Bankvorstände haben verstanden, wie diese komplizierten Produkte funktionieren. Diese Instrumente sind höchst gefährlich und müssen in Zukunft stark kontrolliert werden. Wie nach jeder Finanzkrise wird jetzt eine große Regulierungswelle kommen. Die Rache der Öffentlichkeit wird schmerzhaft.

INTERVIEW: TARIK AHMIA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!