Die BVG und ihre Probleme: Das ist doch kein Joke

Bei der BVG läuft vieles ganz normal, manches aber auch so richtig schief. Das Unternehmen muss darauf reagieren.

BVG-Bus auf Straße

Was gelb und nicht immer witzig? Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Am Ende konnte sich auch die BVG dem Hype der vergangenen Tage nicht verschließen: Mit der Frage „Sind wir spät dran?“ hat das Unternehmen auf Twitter einen Fake-Wes-Anderson-Minitrailer gepostet. Als Hommage an den US-Regisseurs mit seinen unverkennbaren Manierismen sieht man ein Kind mit einer großen gelben Instantkamera durch bunt gekachelte U-Bahnhöfe hüpfen, und irgendwie spielt auch ein Bagel noch eine Rolle.

Man muss der BVG auch Jahre nach dem Start der „Weil wir dich lieben“-Kampagne zugestehen, dass nicht nur ihre aufwendig produzierten Werbevideos, sondern auch die Memes und schlagfertigen Reaktionen in den Sozialen Medien witzig geblieben sind. Die positionieren sich bekanntlich auch erfrischend politisch, angefangen bei den legendären Tweet-Battles mit dem AfD-Abgeordneten Lindemann bis kürzlich zum Einstandsgruß an den neuen Regierenden: „Herzlichen Glückwunsch, Herr Wegner! Wann Busspur auf der A100?“

Das Problem dabei: Manchmal vergisst man ob dieses sorgsam gepflegten Images, dass die ganze abgerockt-coole Selbstironie nichts weiter ist als genau das: ein von Profis gegen Geld produziertes Image. Mit dem Alltagsgeschäft hat das wenig bis nichts zu tun: Da sind die meisten FahrerInnen keine schnoddrig-charmanten Originale, sondern Menschen, die hart arbeiten und oft gestresst sind – und, wen wundert’s, in einzelnen Fällen auch unfreundlich und bräsig.

Auf der anderen Seite die KundInnen: auch sie kein Panoptikum exzentrischer, im Kern immer gutmütiger Gestalten, wie uns die BVG-Filmchen weismachen wollen, sondern größtenteils komplette Normalos, zum Teil aber auch sozial schwer anschlussfähige Menschen mit hohem Aggressionspotenzial oder mangelhaften Hygienestandards. Das kann man schulterzuckend als Schattenseite der Urbanität abtun, man kann aber auch die Frage stellen, wie die Verkehrswende gelingt, wenn viele Menschen sich auf ihren Wegen im ÖPNV weder sicher noch komfortabel fühlen.

Was das Joke Department kaschiert

Richtig problematisch wird es, wenn das politisch schwer korrekte Joke Department der Verkehrsbetriebe auch die strukturellen Probleme im Hintergrund kaschiert, die über das übliche Allzumenschliche hinausgehen. Etwa die fortwährende Auslagerung von Kontroll- und Sicherheitsjobs in die Prekarität von Sub- und Subsubunternehmen: eine aus Kostengründen in Kauf genommene Schieflage, die immer wieder zu krassen Fällen von Diskriminierung führt.

Denn – so die treffende Analyse der Kampagne #bvgWeilWirUnsFürchten – wer solche auch als „Policing“ bezeichneten Tätigkeiten nicht von gut geschulten und bezahlten Fachkräften durchführen lässt, eröffnet auch Menschen eine gefährliche Machtposition, die mit Macht nicht umgehen können oder sie im Kleinen ausleben wollen, weil sie im Großen selbst auf der Verliererseite stehen. Im schlimmsten Fall kommt dabei ein racial profiling heraus, das für Betroffene lebensgefährlich enden kann. Das aber darf einfach nicht sein.

Zuletzt schlugen rund um die BVG die Wellen hoch, als der Aufsichtsrat die Vorstandsvorsitzende Eva Kreienkamp schasste. Wie viel von deren Vorwürfen zutrifft, dass die Modernisierung der Unternehmenskultur nicht vorankommt und das Diversity-Management im Argen liegt, lässt sich zurzeit nur schwer beantworten. In jedem Fall zeigt dieser Eklat wie die einzelnen Übergriffe auf KundInnen wie auch die parallel dazu ablaufende gigantische Normalität des tagtäglichen Betriebs: Die BVG ist alles Mögliche – nur ganz sicher kein Wes-Anderson-Film.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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