Die Arbeit eines Herpetologen: Den Froschrufen auf der Spur
Es pfeift, knarzt, quietscht im Büro von Martin Jansen. Der Biologe muss genau hinhören, denn er nutzt die sogenannte Bioakustik zur Bestimmung von Arten.
Der Biologe Jansen ist ein Forscher, der den Sound der Frösche analysiert – und der Klang aus dem Dschungeltümpel hat schon wiederholt zur Entdeckung neuer Arten geführt. Rein äußerlich seien sich viele Froscharten buchstäblich zum Verwechseln ähnlich, erläutert Jansen, der erst kürzlich wieder in Bolivien Feldforschung betrieben hatte.
Den Studenten, die Artenbestimmung mit Hilfe von Akustik lernen sollten, gab er einen kleinen Ordner als Arbeitshilfe. „Das ist sozusagen Froggish für Anfänger“, lächelt der Wissenschaftler. „Es gibt eine gewisse Kakophonie am Tümpel, da wollen wir den Studenten helfen, sich zu strukturieren.“
Klingt alles höchst kompliziert, doch Jansen versichert: „Die Frösche rufen alle so extrem unterschiedlich, da ist das Erfolgserlebnis relativ schnell da, auch ohne absolutes Gehör.“ Und in der Tat, die isolierten Einzelrufe aus dem Computer sind leicht auseinander zu halten. Es gibt pfeifende Frösche, knarzende, gurgelnde, und einer klingt wie ein Rennwagen in der Überholkurve. „Das ist der Ferrari-Frosch“, sagt Jansen.
Artenvielfalt dokumentieren
Im vergangenen Jahr machte er in Brasilien einen weiteren Frosch aus, dessen Ruf wie ein kleiner, allerdings eher schnurrender Motor klingt. Da lag „Motorzinho“ als neuer Name nahe.
Trotz des niedlichen Namens – eine wissenschaftliche Spielerei ist die Klangforschung im Sumpf keineswegs. „Wir sind überzeugt, dass es wichtig ist, die Artenvielfalt der Erde zu dokumentieren, gerade im Wettlauf mit Klimawandel und der Abholzung der Regenwälder“, betont Jansen. „Da stehen wir einfach unter dem Druck, möglichst viele Arten noch zu beschreiben, ehe sie verschwunden sind.“
Denn die Identifizierung der Frösche nicht nur nach ihrem Äußeren, sondern auch nach DNA-Material und ihren Rufen kann Überraschungen bergen: „Da denkt man vielleicht, eine Froschart ist in Südamerika weit verbreitet, und dann stellt sich heraus, es handelt sich tatsächlich um neun verschiedene Arten, von denen sich mehrere nicht in Schutzgebieten oder in klimatisch sehr sensiblen Gebieten befinden“, beschreibt Jansen.
Bioakustik ist eine relativ junge Wissenschaft. „Aber eine mit Zukunft“, ist Karl-Heinz Frommolt, Kustos des Tierstimmenarchives am Berliner Naturkundemuseum, sicher. Mit rund 120 000 Tonaufnahmen ist das seit 1951 aufgebaute Archiv nach eigenen Angaben eine der größten Sammlungen dieser Art weltweit.
Die Entdeckung neuer Arten
In der Anfangszeit seien Stimmen als Teil des Tierverhaltens untersucht worden, sagt Frommolt. „Die Erkenntnis, dass die Stimme auch ein sehr entscheidendes taxonomisches (Artbestimmungs-)Merkmal ist, kam eigentlich erst später.“
Während Bioakustik bei Fröschen wegen der teilweise sehr großen äußeren Ähnlichkeit besonders wichtig ist, sorgten Stimmenaufnahmen auch bei anderen Tieren zur Entdeckung neuer Arten. Meisen, Fledermäuse und Heuschrecken zählt Frommolt als Beispiel auf. „Noch verrückter ist es bei einigen Zikaden“, sagt er. „Da sind bei einigen Arten nur die Tonaufnahmen vorhanden und man weiß noch nicht einmal, wie die aussehen.“ Die in den Baumgipfeln lebenden Tiere seien noch nicht gesichtet worden – nur ihre Rufe seien der Beweis für die Existenz der Art.
Auf das genaue Hinsehen legt Froschforscher Jansen wiederum großen Wert. „Mein bioakustischer Anspruch ist, einzelne Individuen aufzunehmen und deren Ruf klar auf der Aufnahme zu haben“, betont er und beschreibt den Forscher-Alptraum: „Stellen Sie sich vor, Sie fahren in ein Gebiet, dass sie nicht gut kennen, und es gibt zwei Frösche, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Sie nehmen einen auf und sammeln einen daneben sitzenden ein, der nicht gepfiffen hat. Dann haben Sie den Ruf von der Art A, aber die Art B gesammelt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!