Diane Kruger triumphiert in Cannes: Küsschen für Akin
Der Jubel im Festivalpalast ist enorm, als die Deutsche Diane Kruger den Preis als beste Schauspielerin gewinnt. Es ist ihr größter Erfolg bisher.
Die im niedersächsischen Hildesheim geborene Kruger spielt Katja, deren Leben „Aus dem Nichts“ zerbricht. Bei einem Bombenanschlag von Neo-Nazis sterben ihr Ehemann Nuri und der kleine Sohn Rocco. Weil Nuri Kurde war, vermutet die Polizei zunächst, dass er irgendwie eine Mitschuld an seinem Tod trägt und in kriminelle Machenschaften verwickelt war.
Diane Kruger, deren Nachname vor der internationalen Karriere noch Heidkrüger lautete, trägt den gesamten Film mit ihrer starken Darstellung. Sie verausgabt sich förmlich in dieser Rolle, weint, schreit, erlebt unter Schock die Befragungen der Polizei – und findet schließlich doch die Kraft, vor Gericht zu kämpfen.
„Ich bin unheimlich stolz und freue mich so, dass ich den Preis für meinen ersten deutschen Film bekommen habe“, sagte Kruger. Kurz zuvor hatte sie im Festivalpalast sichtlich gerührt ihre Trophäe entgegengenommen. „Fatih, mein Bruder, ich danke dir, dass du mir vertraut hast“, rief das einstige Fotomodel. „Ich habe nicht gewusst, dass das in mir steckt.“ Schnell wurde sie aber auch ernst. Sie könne den Preis nicht akzeptieren, ohne an die zu denken, die von einem Terrorakt betroffen seien.
Es ist der erst dritte Preis der Festivalgeschichte für eine deutsche Hauptdarstellerin in Cannes. Zuletzt gewann Barbara Sukowa 1986 für „Rosa Luxemburg“ von Margarethe von Trotta, davor 1983 Hanna Schygulla für Marco Ferreris „Die Geschichte der Piera“.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) gratulierte Kruger noch am Abend und erklärte, sie gebe ihrer Figur „eine berührende Tiefe“ und den Opfern der NSU-Morde Gesicht und Stimme.
Ein Erfolg des deutschen Autorenfilms
Die Auszeichnung für Kruger unterstreicht auch den Erfolg des deutschen Autorenfilms im Ausland. Im vergangenen Jahr war Regisseurin Maren Ade mit ihrer gefeierten Tragikomödie „Toni Erdmann“ in Cannes zwar noch leer ausgegangen, gewann danach aber fünf Europäische Filmpreise und wurde für einen Golden Globe und einen Oscar nominiert. In diesem Jahr saß Maren Ade dann selbst in der internationalen Jury von Cannes, und im Festival waren 16 Produktionen mit deutscher Filmförderung zu sehen.
Was von diesem Cannes-Jahrgang in Erinnerung bleiben wird, ist allerdings auch ein eher durchwachsener Wettbewerb. Viele Autorenfilmer wie Todd Haynes, François Ozon, aber auch der zweifache Palmengewinner Michael Haneke blieben hinter den Erwartungen zurück.
So war das Rennen um die Hauptpreise beim weltweit wichtigsten Festival bis zum Schluss offen. Völlig überraschend gewann dann die böse schwedische Gesellschaftssatire „The Square“ (auch eine deutsche Koproduktion) von Ruben Östlund die Goldene Palme, die in diesem Jahr anlässlich des 70. Festivaljubiläums mit Diamanten verziert war. Im Mittelpunkt von „The Square“ steht ein Museumskurator, Östlund kreiert ein entlarvendes Werk über Verlogenheit, Männlichkeit und das Bürgertum.
Viele politische Filme
Überhaupt wurden für Cannes ungewöhnlich viele Filme mit politischem Inhalt ausgezeichnet: Der Große Preis der Jury ging an das berührende Werk „120 battements par minute“ von Robin Campillo, in dem Aids-Aktivisten in den 90er Jahren für Akzeptanz und gleichberechtigtes Miteinander kämpfen. Der Russe Andrej Swjaginzew wiederum gewann für „Loveless“, in dem er ein düsteres Abbild der russischen Mittelschicht entwirft.
Diane Kruger und Fatih Akin jedenfalls konnten ihr Glück in Cannes kaum fassen. Mit Tränen in den Augen zeigte sie sich am späten Abend noch den Fotografen – und drückte ihrem Regisseur ein Küsschen auf die Wange. Schon in den Tagen zuvor war deutlich geworden, wie sehr sich die beiden gegenseitig schätzen. „Diane ist sehr klug“, hatte Akin in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Sie hätten die Hauptfigur Katja gemeinsam entwickelt. Es sei eine sehr gute Partnerschaft gewesen. „Ich hoffe, das ist nicht unser letzter Film!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!