Deutschlands Vorrundengegner Portugal: Im Schatten des CR 7
Im europäischen Südwesten nichts Neues: Ronaldo & Co treten am Montag mit einem ähnlichen Team wie bei der EM 2012 gegen Deutschland an.
RIO DE JANEIRO taz | Um das Selbstwertgefühl der portugiesischen Nationalspieler scheint es nicht gut bestellt zu sein. Wie sonst ist die Maßnahme zu deuten, dass man im WM-Quartier über die Betten der Nationalspieler den jeweiligen Namen und die Trikotnummer an die Wand aufgepinselt hat und zudem jeder ein Poster von sich im Zimmer hängen hat?
Die Ego-Streicheleinheiten sind zumindest gut angekommen. Der Mittelfeldstratege João Moutinho und Verteidiger João Pereira twitterten nach ihrem Einzug ins neue Domizil in Campinas, das rund 100 Kilometer nördlich von São Paulo gelegen ist, Fotos vom Interieur in die Welt hinaus.
Wenn man derzeit sieht, welch Aufhebens um den Gesundheitszustand von Ronaldos linkem Knie gemacht wird, dann bekommt man eine Ahnung davon, warum die portugiesische Auswahl ein Team von Schattengewächsen ist. In Campinas kamen fast 10.000 Brasilianer zur ersten öffentlichen Trainingseinheit der Südeuropäer, um vor allem ihn, den großen CR 7 zu sehen.
Moutinho, der eine formidable Saison beim AS Monaco spielte, fungierte hernach als eine Art Ronaldo-Pressesprecher. „Fast zu 100 Prozent fit“, beruhigte er die aufgebrachten Gemüter.
Mourinho-Surrogat
Auch Trainer Paulo Bento kann mit dieser Autorität nicht konkurrieren, steht er doch selbst wiederum im Schatten einer anderen Autorität. Sein Amt erhielt er vor gut zwei Jahren nur, weil José Mourinho absagte. Bento erklärte brav: „Ich bin stolz darauf, zweite Wahl nach dem besten Coach der Welt gewesen zu sein.“
Eine überaus überzeugende Europameisterschaft haben die Portugiesen unter seiner Regie gespielt. Erst im Halbfinale schied man unglücklich gegen Spanien aus. Und schon damals wurde viel über das Ungleichgewicht zwischen Ronaldo und dem Rest des Teams gesprochen. Das Problem hat sich unterdessen noch verschärft, obwohl Trainer Bento gegen Deutschland am heutigen Montag (18 Uhr) vermutlich fast dieselbe Elf auflaufen lassen wird, die er bereits beim Aufeinandertreffen während der EM 2012 aufbot.
Während Ronaldo in den letzten beiden Jahren mit Erfolg an seinem Heldenstatus arbeitete, schwächelte das Nationalteam. Gegen Israel musste man sich in der WM-Qualifikation gar zweimal mit einem Unentschieden zufrieden geben – nur über den Umweg der Playoff-Spiele gegen Schweden, die wiederum Ronaldo fast im Alleingang entschied, kam man nach Brasilien.
Bento lässt sich davon wiederum nicht beirren, sondern sein Team wie eh und je mit einem 4-3-3-System spielen, in dem den Flügelstürmern Ronaldo und Nani Schlüsselrollen zufallen. Der bei Manchester United unter Vertrag stehende Nani bleibt allerdings schon lange hinter dem zurück, was sich einst viele von ihm versprachen. Und einen Mittelstürmer mit internationaler Klasse hat Portugal schon seit Langem nicht mehr zu bieten.
Mühselige Auftritte
Die zuletzt so dürftigen Ergebnisse werden in Portugal auch darauf zurückgeführt, dass Bento so stur an seiner Besetzung und Taktik festhält. Wobei man dem Coach zugutehalten muss: Es fehlt ihm an Alternativen. Der 22-jährige Mittelfeldspieler William Carvalho, der von Premier-League-Vereinen umworben wird, ist der einzige, der derzeit in die Mannschaft drängt. Selbst der gerade erst von seinem Kreuzbandriss genesene Wolfsburger Vieirinha wurde überraschend nominiert und soll nun Druck auf die Stammkräfte ausüben.
Man sollte sich von den mühseligen letzten Auftritten aber auch nicht täuschen lassen. Gegen defensive Teams sieht Portugal oft schlecht aus, weil ihre blitzschnellen Gegenangriffe nicht zur Geltung kommen. Das offensive deutsche Spiel kommt den Portugiesen indessen entgegen – möglich also, dass die Sache mit dem Selbstwertgefühl sich heute Abend blitzschnell ändert.
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