Deutschlands Gegner im Viertelfinale: Rennen, rennen, rennen

Trotz der 0:2-Niederlage gegen England: Die Japanerinnen spielen taktisch und technisch vielleicht den besten Fußball dieser Weltmeisterschaft.

Zaubern hilft nicht, wenn man nicht auch mal schießt: Yuki Nagasato Bild: dpa

AUGSBURG taz | Hope Powell ist seit nunmehr 13 Jahren die Trainerin der englischen Mannschaft. Kein Wunder, dass sie weiß, wie Statements von der Presse ausgelegt werden. Lobt man die eigene Taktik zu offensiv, gilt das beispielsweise als angeberisch, als penetrantes Klopfen auf die eigene Schulter.

Deswegen beließ sie es nach dem hart erarbeiteten 2:0-Erfolg über „das technisch beste Team des Turniers“ (dieselbe) bei ein paar Worten über das „Gelingen des Plans“, um dann Grobkörnigeres („Rennen, rennen, rennen“) aus dem Rhetorikarsenal zu zaubern: „Das war ein wirklich schweres Spiel. Wir haben auch deshalb gewonnen, weil sich unsere Mädchen die Lunge aus dem Leib gerannt haben.“

Natürlich stimmte das, doch erhöhte Laufbereitschaft ist im Fußball auf Topniveau – und die Begegnung in Augsburg war von exakt diesem Gütegrad – nur eine Grundvoraussetzung, um zu bestehen. Das weiß auch Powells japanischer Kollege Norio Sasaki, der dennoch zu noch kräftigeren Bildern griff, um den erstaunlichen Kampfeswillen seiner Spielerinnen zu unterstreichen. „Ich habe ihnen in der Halbzeit gesagt, dass sie bis zum Tod rennen müssen, wenn sie dieses Spiel noch drehen wollen.“

Für Silvia Neid und ihre Assistenztrainerin Ulrike Ballweg steht nun ein ausführliches Video-Studium an. Die beiden sind bekannt für ihre konsequente Gegneranalyse und Vorbereitung. Allerdings haben sie es vor dem Viertelfinale gegen Japan so leicht wie lange nicht, eine passende Taktik auszubaldowern. Haben doch die Engländerinnen mit ihrer Spielweise genau das Muster geliefert, mit dem die deutsche Mannschaft auch die Japanerinnen schlagen kann.

Die Engländerinnen hatten exakt so gespielt, wie man das als physisch robustes, allerdings nicht durchweg filigranes Team wohl tun muss, wenn man gegen eine technisch überragende Mannschaft bestehen will: Sie machten die Räume eng, verschoben geschickt und in bestechend hohem Tempo. Die ballführende Spielerin wurde schon früh attackiert - gerade auf den Außenbahnen, wo Rachel Unitt und Alex Scott das Pressing aus dem Mittelfeld konsequent unterstützten und so mithalfen, die japanischen Steilpässe zu unterbinden.

Im Mittelfeld wurde es somit fürchterlich eng, das Kurzpassspiel der Asiatinnen wurde dadurch gekonnt erschwert. "Die Japanerinnen", fand Englands Coach Hope Powell, "haben nicht ganz so flüssig gespielt wie gegen Neuseeland oder Mexiko." Silvia Neid wird froh sein dürfen, wenn sie am Sonntagabend ähnliche Sätze sagen kann. (ruf)

Da zwar erfreulicherweise keine der Spielerinnen verschieden ist, man aber andererseits allen attestieren durfte, dass man in 90 Minuten nicht noch mehr laufen kann, musste die japanische Niederlage also andere Gründe haben. Es war wie so oft, die trivialste, die der Fußball zu bieten hat.

Immer ein Pass zu viel

Die Japanerinnen, die am zweiten Spieltag doch einigermaßen zielstrebig 4:0 gegen Mexiko gewonnen hatten, weigerten sich nämlich absolut standhaft, nach ihren gelungenen Kombinationen auch einmal aufs Tor zu schießen. Ihre wenigen Chancen, die sie dennoch bekamen, ließen sie zudem ungenutzt, so dass Sasaki leider nicht umhin konnte, das Unbestreitbare einzugestehen: „Wir haben gut kombiniert, aber meist genau einen Pass zu viel gespielt. Das müssen wir jetzt schnell ändern.“

Ihre englischen Gegnerinnen mussten sich hingegen mangelnde Konsequenz nicht vorwerfen lassen. Ellen White (15.) und Rachel Yankee (66.) erzielten zwei sehenswerte Tore mit technisch feinen Lupfern. Andere Großchancen aber hatten sie sich kaum erspielen können. Der Unterschied an diesem Augsburger Nachmittag: die Effizienz.

Und dennoch: Wenn mancher Dauerbeobachter der WM behauptet, dass es die deutsche Elf am kommenden Sonntagabend mit dem anspruchsvolleren von zwei guten Gegnern zu tun bekommt, ist das argumentativ gut unterfüttert. Die Japanerinnen stellen das vielleicht homogenste Kollektiv dieses Turniers. Man sah in Augsburg nicht eine einzige Spielerin, die Schwierigkeiten am Ball gehabt hätte oder die gekonnten Rochaden im Offensivpressing nicht mitgemacht hätte. Zwar gelang es den Engländerinnen, das Kurzpassspiel der Japanerinnen immer wieder zu erschweren, ganz unterbinden konnten sie es allerdings nie.

Und das lag schlicht und einfach an der spielerischen Güte der Gegnerinnen. Freunde der Statistik haben im bisherigen Turnierverlauf eine durchschnittliche Fehlpassquote von nahezu 30 Prozent ermittelt. Die Japanerinnen um die überragende Spielführerin Homare Sawa dagegen bringen regelmäßig mehr als 80 Prozent ihrer Pässe mit Erfolg an die Mitspielerin, der mit Abstand beste Wert aller Mannschaften. Statt Pässen ins Nichts sah man vor allem im zweiten Durchgang solche in den Rücken der Abwehr, statt langen Bällen in den freien Raum gab es kurze in den Fuß der Mitspielerin zu bestaunen.

„Wir nehmen das Spiel heute als positive Erfahrung mit“, sagte Norio Sasaki, der betonte, es sei ihm völlig egal, dass seine Spielerinnen nun in Wolfsburg auf den großen Favoriten Deutschland träfen. „Wir wollen es auf jeden Fall immer noch ins Finale der Weltmeisterschaften schaffen.“ Was ihn da optimistisch stimme, wurde er noch gefragt: „Wir können das, was wir heute falsch gemacht haben, schnell abstellen.“

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