Deutschland ratifiziert UN-Vertrag: Mehr Rechte für Indigene
Nach jahrzehntelangen Debatten macht der Bundestag den Weg für die Konvention ILO 169 frei. Sie soll die Rechte Indigener besser schützen.
Bei der Konvention – Namensgeberin ist die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) – handelt es sich um die einzige ihrer Art, die global verbindlich ist. Die ILO 169 wurde in ihrer heutigen Form 1989 verfasst und trat 1991 in Kraft. Sie war bisher nur von 23 Staaten unterzeichnet worden, darunter die europäischen Länder Dänemark, Luxemburg, Norwegen, Spanien und die Niederlande. Deutschland ist weltweit erst der 24. Staat, der das Abkommen ratifiziert.
Es gilt für Nationen, nicht für Einzelpersonen oder Unternehmen. Aber es verbietet Deutschland die Finanzierung von Projekten und Organisationen, welche indigenen Gruppen ihr Land streitig machen. Auch Vorhaben, denen die Zustimmung der lokalen Gemeinden fehlt, dürfen nicht unterstützt werden. Neben der Anerkennung von Landrechten regelt die Konvention auch, dass Indigene an Nutzung, Bewirtschaftung und Erhalt von Ressourcen beteiligt werden müssen und nicht diskriminiert werden dürfen.
Geschützt werden sollen dadurch nach Schätzung der Vereinten Nationen rund 5.000 indigene Völker und damit mehr als 370 Millionen Menschen in etwa 90 Staaten. Laut Bundesregierung sind das 5 Prozent der Weltbevölkerung, zugleich jedoch 15 Prozent der in Armut lebenden Menschen.
NGOs begrüßen den Beschluss
Frühere Beitrittsinitiativen waren gescheitert. So lehnte die Bundesregierung 2012 einen Antrag von SPD und Grünen im Bundestag wegen Haftungs- und Prozessrisiken für deutsche Firmen ab. Umso mehr begrüßten die Mitglieder des „Koordinierungskreises ILO 169“, einem Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Netzwerken und Expert:innen, den Beitritt. Er gilt als wichtiges politisches Signal, das sie teils schon seit zwei Jahrzehnten gefordert hatten.
Fiore Longo, Direktorin der NGO Survival International in Deutschland, Frankreich und Spanien, nannte die Entscheidung einen wichtigen Schritt. Es bedürfe jedoch weiterer konkreter Gesetze und einklagbarer rechtlicher Vorgaben auf nationaler Ebene: „Das Gesetz muss angemessen umgesetzt und angewendet werden, sonst bleibt es ein reines Lippenbekenntnis“. Survival International werde weiter kämpfen, bis indigene Völker und ihr Land vollständig geschützt sind.
Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ begrüßte den Parlamentsbeschluss ebenfalls. Dessen Präsidentin Dagmar Pruin wies darauf hin, dass der Lebensraum indigener Völker in vielen Teilen der Welt bedroht sei, „durch die Abholzung des Regenwaldes in Brasilien, durch Lithiumgewinnung in Bolivien oder durch Palmölanbau in Indonesien“.
Die grüne Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Margarete Bause stellte eine Verbindung zum Lieferkettengesetz her und sagte der taz: „Unternehmerische Sorgfaltspflichten gelten auch gegenüber Indigenen.“ Das Übereinkommen bedeute ein verbindliches Recht, das entsprechend umgesetzt werden müsse: „Wenn deutsche Großkonzerne Staudämme in Brasilien, Kolumbien oder anderswo zertifizieren oder versichern, die Umweltkatastrophen mit tausenden Opfern auslösen, dann muss das Folgen haben.“
Wichtiges außenpolitisches Signal
Das für den Beitritt zuständige, SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales betonte der taz gegenüber vor allem das außenpolitische Signal – auch an andere Nationen -, das Abkommen zu ratifizieren. Die Konvention stehe im Einklang mit den bereits bestehenden nationalen Zielen zum Schutz von Menschenrechten oder etwa des Klimas. „Im Rahmen der Ratifikation sind Änderungen oder Ergänzungen der innerstaatlichen gesetzlichen Vorschriften nicht erforderlich“, erklärte eine Sprecherin.
Neben direkten Wirtschaftsinteressen spielen angesichts der laufenden Verhandlungen für ein neues UN-Biodiversitätsabkommen zuweilen auch Konflikte mit dem Naturschutz eine Rolle. Entsprechende und teils von Deutschland finanzierte Projekte stehen in der Kritik, weil sie die lokale Bevölkerung bedrohen. Dass sich der Schutz von Natur und Mensch nicht unbedingt widersprechen müsste, zeigen Studien. So wurde nachgewiesen, dass die Biodiversität in indigenen Gebieten oft besonders hoch ist. Auch beim Wald- und Klimaschutz sind Landrechte für Indigene laut neuester Forschungen womöglich die beste Strategie.
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