Deutschland-Sprecher steigt aus: Selbstenthüllung bei Wikileaks
Nach Konflikten in der Wikileaks-Führung geht der deutsche Sprecher Daniel Schmitt - und verrät seinen echten Namen.
Der deutsche Sprecher von Wikileaks, Daniel Schmitt, hat seinen Rückzug aus dem Enthüllungsportal erklärt. Er sei bereits vor einem Monat von Gründer Julian Assange "als Ankläger, Richter und Henker in einer Person" suspendiert worden, sagte Daniel Schmitt im Interview mit dem Spiegel. Damit steigt der bekannteste Aktivist neben Assange bei Wikileaks aus.
Assange wirft seinem Sprecher Illoyalität und Gehorsamsverweigerung vor. So scheint zum Beispiel der Umgang mit dem Verdacht, Assange habe in Schweden eine Frau vergewaltigt, zwischen den beiden zu stehen. Schmitt hatte Assange geraten, sich eine Weile zurückzuziehen. Im Spiegel-Interview stellte er jedoch klar: "Die Ermittlungen gegen Julian in Schweden sind aus meiner Sicht ein persönlicher Angriff auf ihn, aber sie haben nichts mit Wikileaks zu tun."
Schmitt erklärt seinen Rückzug vor allem damit, dass er mit der Arbeitsweise von Wikileaks nicht mehr zufrieden war. Er kritisiert vor allem, dass das Netzwerk nicht mehr seinem ursprünglichen Sinn und Zweck entspreche - eine diskriminierungsfreie Plattform zu sein, die große und kleine Missbrauchsskandale aufdecke. Nach den Veröffentlichungen von geheimen Afghanistan-Dokumenten der US-Armee in New York Times, Guardian und Spiegel habe man sich zu sehr auf große Geschichten konzentriert und kleinere vernachlässigt.
Zudem sei die Organisation viel zu schnell gewachsen, Dokumente blieben viel zu lange liegen, es mangele an Transparenz und Professionalität: "Selbst mir ist nicht mehr klar, wie bei uns eigentlich Entscheidungen getroffen werden", sagt Schmitt und auch, dass er mit dieser Einschätzung nicht allein dastehe. Wie es mit der Organisation weitergeht und welche Auswirkungen Schmitts Abgang auf Wikileaks haben wird, ist noch unklar.
Zum Schluss enthüllte er seinen wahren Namen: Daniel Domscheit-Berg. In Zukunft wolle er auch weiter gegen Korruption kämpfen. Seine Aussagen lassen sich durchaus so interpretieren, als wolle er selbst ein eigenes Enthüllungsnetzwerk gründen oder mitgestalten: "Am Ende muss es tausend Wikileaks geben."
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