Deutsches Team vor der Handball-WM: Viel offen zum Hoffen
Bundestrainer Alfred Gislason benennt am Freitag das deutsche WM-Aufgebot und zeigt sich zuversichtlich. Ein paar Baustellen gibt es aber.
Alle Jahre wieder – muss der Bundestrainer schauen, wer unverletzt durch eine anstrengende Vorrunde gekommen ist. Spätestens ab Oktober verfolge er mit bangen Blick jeden einzelnen Spieltag, hat Alfred Gislason jüngst zugegeben, denn: „Es gibt einige Spieler, die dürfen einfach nicht ausfallen.“
Als sich sein Kapitän Johannes Golla vor zwei Wochen verletzte und ausfiel, schrillten bei Gislason schon die Alarmglocken, gehört der Kreisläufer doch in die Kategorie unentbehrlich. Golla kam aber schnell wieder auf die Beine. Gleiches gilt für Spielmacher Juri Knorr oder den aktuell formstärksten Deutschen, Paul Drux, der schon einige Turniere wegen diesem oder jenem verpasst hat.
Wenn Gislason also an diesem Freitag mit Sportvorstand Axel Kromer das Aufgebot des Deutschen Handballbundes (DHB) für die Weltmeisterschaft im Januar in Schweden und Polen bekannt gibt, ist da immer noch ein kleines Fragezeichen – spielt die Bundesliga doch am 26. und 27. Dezember ihren letzten Spieltag des ablaufenden Jahres aus.
Aber Gislason ist kein Schwarzseher. Er hat vor einem guten Jahr bei der kuriosen Corona-Europameisterschaft in Bratislava erlebt, wie breit die Gruppe an Nationalspielern ist – vom ursprünglichen Kader waren beim letzten deutschen Spiel der EM gegen Russland noch vier Aufrechte übriggeblieben. Dass er derart aus dem Vollen schöpfen konnte, habe ihn stolz gemacht, verriet Gislason, der Rang sieben unter diesen Bedingungen als Erfolg verbuchte.
Vertrauen auf bewährte Kräfte
Wenn es am 13. Januar gegen Katar, dann gegen Serbien und Algerien in Katowice um den Einzug in die Hauptrunde geht, schenkt Gislason den bewährten Kräften das Vertrauen. Seine Stammsieben dürfte aus Andreas Wolff im Tor, Golla und Julian Köster im Innenblock, Lukas Mertens und Patrick Groetzki auf Außen sowie Knorr als Spielmacher, Häfner auf halbrechts und Drux (im Wechsel mit Köster) auf halblinks bestehen.
Eine erste Sieben, auf die sich bauen lässt in einer Vorrunde, die die Deutschen tunlichst ohne Verlustpunkte überstehen sollten, um dann in Danzig in der Hauptrunde chancenreich im Rennen um das Viertelfinale zu bleiben. Dort warten dann schwere Brocken, und das Erreichen der Medaillenspiele am letzten Januar-Wochenende in Stockholm wäre für dieses Team eine erfreuliche Überraschung.
Gislason selbst sieht seine Gruppe in der Vorbereitung auf die Heim-EM 2024 ordentlich präpariert, aber die üblichen Verdächtigen aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Frankreich und Spanien einen guten Schritt voraus.
Es gibt einige Namen, auf die Gislason hofft, oder besser – auf deren Rückkehr oder Formverbesserung er setzt. Philipp Weber vom deutschen Meister SC Magdeburg hat eine gute Hinrunde gespielt, war aber meist im linken Rückraum unterwegs, weniger in der Mitte. Weber wurde von Gislason zuletzt arg kritisiert, sogar einmal nicht eingeladen. Nun aber kommt Gislason an ihm nicht mehr vorbei, obwohl er in der Mitte auf Juri Knorr und Luca Witzke aus Leipzig setzt. Weber ist mutig und abgezockt, hat aber Schwächen in der Abwehr.
In Sachen Wurfkraft liebäugelt der Bundestrainer mit Julius Kühn, der nach einer langen Verletzung aber erst fit werden muss. Auf der anderen Seite, wo Länder wie Frankreich aus dem Vollen schöpfen oder die Dänen in Mathias Gidsel den Shootingstar der vergangenen Turniere haben, vermisst Gislason schon jetzt den Berliner Fabian Wiede. Er lässt sich im Januar Weisheitszähne ziehen und wird nicht dabei sein. Eine Entscheidung, die Gislason missbilligen muss. Deshalb dürften sich hier die Veteranen Christoph Steinert und Kai Häfner die Spielzeit teilen.
Und dann wäre da noch die Torwartposition. Andreas Wolff stand im Juni mit Kielce im Champions-League-Finale, hielt prächtig und verlor doch gegen Barcelona. Mit Deutschland in seiner Wahlheimat Polen – das dürfte ihn noch einmal besonders motivieren. Dahinter könnte Joel Birlehm von den starken Rhein Neckar-Löwen ins endgültige deutsche Aufgebot für die WM rutschen, ein junger, impulsiver Torwart ohne Angst.
Basteln muss der Bundestrainer am Kreis und mithin in der Abwehrmitte – einst deutsches Prunkstück, ohne die zurückgetretenen Kieler Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler zuletzt Problemzone. Da Vielspieler Golla auch mal müde wird, muss es Gislason mit Simon Ernst oder Julian Köster dort versuchen.
Ein paar Einheiten ab dem 1. Januar und zwei Testspiele am ersten Januarwochenende in Bremen und Hannover gegen Island bleiben dem Bundestrainer, um neue Defensiv-Gespanne auszuprobieren. Und auch in diesen Partien wird Gislason denken: Hoffentlich verletzt sich keiner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen