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Deutsches SchulbarometerSchulalltag ist für Kinder und Jugendliche belastend

Ein Fünftel der Schü­le­r:in­nen fühlt sich psychisch belastet, zeigt eine neue Studie. Auch die schulpsychologische Versorgungslage ist dramatisch.

Jubeltag Einschulung – aber dann? Je­de fünfte Schü­le­r:in sieht sich psychisch belastet Foto: Peter Steffen/dpa

Berlin taz | Auch nach der Coronapandemie nehmen viele Kinder und Jugendliche ihren Schulalltag als belastend wahr. Das zeigt eine bundesweit repräsentative Umfrage der Robert Bosch Stiftung, die am Mittwoch veröffentlicht worden ist. So bezeichnet fast je­de:r dritte Schü­le­r:in die eigene Lebensqualität als niedrig. Je­de:r fünfte sieht sich psychisch belastet. Ebenso viele geben an, sich in der Schule nicht wohl zu fühlen.

Ein weiterer Befund des „Deutschen Schulbarometers“, das erstmals gezielt Schü­le­r:in­nen zum Schulalltag befragt hat: Ein Viertel der Kinder und Jugendlichen, die psychosoziale Hilfe in Anspruch nehmen möchten, erhält an der Schule selbst auf Nachfrage keine Hilfe. Auf außerschulische Angebote ist laut der Umfrage kein Verlass: Ein therapeutisches Erstgespräch kommt im Schnitt erst nach vier Monaten zustande.

„Diese Antworten zeigen, dass wir die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern sehr ernst nehmen müssen“, sagt Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs Bildung der Robert Bosch Stiftung. „Besonders dramatisch“ seien aus ihrer Sicht die Lücken in der Versorgungsstruktur.

Zwar habe sich die Belastungssituation von Kindern und Jugendlichen seit der Coronapandemie insgesamt verbessert. Allerdings habe sich die Lage noch nicht so entspannt wie in anderen Ländern, so Wolf. Auf die Krisen in der Welt lässt sich die anhaltende Belastung der Schü­le­r:in­nen also nur bedingt zurückführen.

Die Weltlage spielt natürlich eine Rolle: So ist die momentan größte Sorge unter den befragten Schüler:innen, „dass es Krieg auf der Welt gibt“, gefolgt von Leistungsdruck. Auch die Klimakrise und die persönliche Zukunft treiben viele Schü­le­r:in­nen um. Das Schulbarometer zeigt aber, dass auch der Unterricht einen großen Einfluss auf das schulische Wohlbefinden hat.

Schü­le­r:in­nen vermissen individuelles Feedback

Vier Aspekte hat die Bosch-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für klinische Kinder- und Jugendpsychologie der Universität Leipzig dafür ermittelt und gezielt abgefragt: Wie Lehrkräfte ihren Unterrichts durchführen, wie sehr sie die Schü­le­r:in­nen unterstützen, wie gut sie die Klasse zum Mitmachen anregen und wie es um das Klassenklima bestellt ist. Daten, die selten aus Perspektive der Schü­le­r:in­nen erhoben werden.

Damit schließe das Schulbarometer „eine große Datenlücke“, freut sich der Projektleiter an der Universität Leipzig, Professor Julian Schmitz. Weniger erfreulich sind aus seiner Sicht die Ergebnisse: Schulbezogene Themen wie Leistungsdruck, belastete Beziehungen zu Lehrkräften und Mitschüler:innen, mangelhafte Unterrichtsqualität und ein schlechtes Lernklima seien „wichtige Faktoren“ für das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der Schüler:innen.

So geben beispielsweise Schü­le­r:in­nen auf die Frage, was ihnen an der Schule „nicht gut“ gefällt, am häufigsten an: „Lehrkräfte, Umgang mit Schüler:innen“. Jeweils rund ein Drittel der Schü­le­r:in­nen sagen zudem, dass „keine oder wenige Lehrkräfte“ sich um sie kümmerten oder individuelles Feedback gäben. Auffällig aus Sicht der Autor:innen: Bei Schüler:innen, die sich selbst als belastet bezeichnen, teilen bis zu doppelt so viele diese Eindrücke. Um das schulische Wohlbefinden aller Schü­le­r:in­nen zu stärken, müssten in diesem Bereich „dringend mehr Anstrengungen unternommen werden“, fordert Schmitz.

Handlungsbedarf sieht auch Fabian Schön, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz: „Das sind schockierende Zahlen, die für uns zur Normalität geworden sind“, sagt er. Vor allem kritisiert er, dass die Schule in vielen Fällen selbst für den Stress von Kindern und Jugendlichen verantwortlich sei. Es sei nicht zu dulden, dass der Leistungsdruck an Schulen nach den Kriegen in der Welt die zweitgrößte Sorge von Schü­le­r:in­nen sei. Die Bundesschülerkonferenz fordere schon lange einen „anderen Leistungsgedanken“: mehr individuelles Feedback, etwa in Form von Wortzeugnissen oder Evaluationsgesprächen mit den Schüler:innen. Schulnoten hingegen sollten „so spät wie möglich“ zählen.

Eine Fachkraft auf 5.000 Schü­le­r:in­nen

Insgesamt erkennt Schön eine „Tabuisierung der psychischen Gesundheit“ an Schulen. Zwar bekomme das Thema seit der Pandemie mehr Aufmerksamkeit. Allerdings, so Schön, hänge es bis heute davon ab, wie engagiert Schulen hier seien. Er fordert, das Thema zu institutionalisieren. Etwa indem alle Schulen mit ausreichend Schul­psy­cho­lo­g:in­nen und Schul­so­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen ausgestattet werden.

Wie schlecht es um die Versorgung mit Fachkräften bestellt ist, zeigt eine Erhebung des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) vom August dieses Jahres. Demnach muss sich ein:e Schul­psy­cho­lo­g:in im Schnitt um 5.218 Schü­le­r:in­nen kümmern. Besonders dramatisch ist die Versorgungslage demnach in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Julian Schmitz von der Universität Leipzig weist auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung früher Prävention hin: „Wir wissen, dass psychische Erkrankungen der Hauptgrund sind, warum Menschen arbeitsunfähig werden.“ Gleichzeitig wisse man, dass drei Viertel aller psychischen Erkrankungen bereits in einem Alter bis 24 Jahren begännen. Allein aus diesem Grund sei es wichtig, auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu blicken, so Schmitz.

Es gibt jedoch noch weitere Gründe: „Besonders in unseren Zeiten, in denen unsere Demokratie unter Druck steht, ist es wichtiger denn je, junge Menschen zu beteiligen und ihnen zuzuhören.“

Seit 2019 führt die Robert Bosch Stiftung Umfragen zum Schulalltag durch. Für das vorliegende „Deutsche Schularometer Schüler:innen“ wurden bundesweit rund 1.500 Schü­le­r:in­nen im Alter von 8 bis 17 Jahren sowie je ein Elternteil befragt. Die Befragung hat das Meinungsforschungsinsitut forsa zwischen 26. April und 20. Mai 2024 durchgeführt.

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1 Kommentar

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  • 21 Jahre habe ich in Ost-Berlin gelebt und 50 Jahre lebe ich in der Bundesrepublik, was 5 Jahrzehnte endloser Diskussionen über die Bildungspolitik beinhaltet die an Wahlversprechen in den luftleeren Raum erinnern. Vielleicht ist es sinnvoller, die Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Sicherheitspolitik den wechselnden Parteiideologien zu entziehen und unter die direkte Aufsicht des Bundesverfassungsgerichtes zu stellen um eine wirklich und wahrhaftige : Freie Entfaltung der Persönlichkeit zu gewährleisten.