Deutscher Exportüberschuss: Zu großes Ungleichgewicht in der EU
Seit Jahren exportiert Deutschland seine Nachbarn kaputt. Die EU-Kommission will sich das jetzt genauer anschauen, Sanktionen wird es aber wohl keine geben.
BRÜSSEL taz | Zu viele Exporte, zu wenig Importe, zu geringe Investitionen: So kommt ein Plus in der Leistungsbilanz zustande, die im Fall Deutschlands für ein Ungleichgewicht in der EU sorgt. Die EU-Kommission will deshalb eine Untersuchung des deutschen Überschusses einleiten, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel. Mit Ergebnissen sei im Frühjahr zu rechnen. Von Strafen sprach er nicht.
Die Entscheidung war erwartet worden. Schließlich überschreitet Deutschland bereits seit 2006 den EU-Grenzwert für Leistungsbilanzüberschüsse. Auf deutsches Drängen war er auf 6 Prozent festgelegt worden – beim Defizit des Staatshaushalts reichen schon 3 Prozent für eine Prüfung. Der Wert bezieht sich auf den Saldo aus Import und Export, auch wenn oft von reinen „Exportüberschüssen“ die Rede ist.
Es gehe nicht darum, den europäischen Exportmeister zu schwächen, betonte Barroso denn auch. Im Gegenteil: „Wir hätten gerne mehrere Deutschlands in Europa.“ Es solle jedoch untersucht werden, ob Deutschland mehr tun könne, um die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der EU zu verringern. Als mögliche Schritte nannte der Kommissionschef eine Stärkung der Binnennachfrage und eine Öffnung des deutschen Dienstleistungssektors.
Die Prüfung sei auch im Interesse Deutschlands, betonte die EU-Kommission. Schließlich bedeute der Überschuss, dass deutsches Geld nicht im Inland, sondern im Ausland investiert werde. Und von höheren Löhnen, die zu einer größeren Binnennachfrage und mehr Importen führen, hätten schließlich auch die deutschen Bürger etwas. Auch die USA und der Internationale Währungsfonds hatten das deutsche Ungleichgewicht kritisiert. Nun rückt auch die EU vom „Modell Deutschland“ ab.
Sanktionen gegen den „Überschusssünder“ gibt es aber vorerst nicht. Barroso und Währungskommissar Olli Rehn leiteten nur die Vorstufe eines möglichen Verfahrens ein. Erst wenn sie Anzeichen für ein exzessives und anhaltendes Ungleichgewicht finden, könnte eine vertiefte Prüfung beginnen. Danach setzt es Korrektur-Empfehlungen, meist mit Fristen verbunden. Wenn auch das nichts hilft, drohen Bußen von 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Doch die muss Berlin nicht fürchten. Deutschland hat vor zwei Jahren eine Erklärung der EU durchgesetzt, nach der Exportüberschüsse nicht bestraft werden.
Leser*innenkommentare
MRO
Dem Kommentar von D.J. kann ich nur zustimmen. Gerade in der exportlastigen Metall- und Elektroindustrie, der Automobilbranche und der Chiemieindustrie werden wohl am allerwenigsten Dumpinglöhne gezahlt. Klar, Leiharbeiter gibt es auch dort, meiner Meinung nach noch viele zu viele, aber es wird nur wenige Facharbeiter oder Ingenieure geben, die nicht gerne bei VW, Daimler, Bosch, BASF und Co. in Lohn und Brot stehen würden. Dass es im Dienstleistungssektor ganz anders aussieht ist keine Frage, aber da reden wir auch nicht von einer Exportindustrie. Ansonsten bleibt es unbenommen, dass sich die Südländer gerne dem Exportwettbewerb stellen dürfen.
heino Ewerth
Da brauch nicht weit zu suchen, wie wäre es mit Skandinavien?
heino Ewerth
Eine Welt, in der alle Staaten mehr ex- als importieren, kann es nicht geben. Das bedeutet, auch Deutschland kann etwas tun, dass es den anderen besser geht. Seit Jahren exportiert Deutschland seine Nachbarn kaputt.
Und die Herrschenden wissen, warum sie den größten Niedriglohnsektor, erst nach der Währungsunion eingeführt haben, vorher hätte es nämlich nicht funktioniert.
Wenn die größte Volkswirtschaft in Europa sich wie das 2. China in Europa aufführt und dann den kleinen Ländern in der EU vorwirft, sie können nicht rechnen, dann ist das an Zynismus nicht zu überbieten. Deutschland konkurriert seit der Euro Einführung alles nieder, und das nicht nur was mit dem angeblichen Technologiefortschritt zu tun. Oder kann mir jemand erklären, was Olivenöl das aus Griechenland stammt, oder Milch das nach Frankreich exportiert wird, mit Technologie Fortschritt zu tun hat. Aber wie sagte schon Heine: Deutsch zu sein, heißt etwas nur um seiner selbst willen tun” / Heinrich Heine oder am deutschen Wesen soll ( .?..)
riccardo
Gast
"Seit Jahren exportiert Deutschland seine Nachbarn kaputt"
Sollen doch die Nachbarn zurückexportieren. Die Niederlande machen´s vor.
Herr Jeh
Gast
Deutschlands derzeitiger Wohlstand basiert ja auch zu einem guten Teil auf den Jahren der Kurzarbeit und Menschen, die für sehr wenig Geld sehr viel gearbeitet haben. Wenn die EU jetzt sagt, "hebt die Löhne eurer Arbeitnehmer doch endlich mal auf europäisches Durchschnittsniveau an, damit die Binnennachfrage gestärkt wird und investiert in Infrastrukturprojekte", finde ich das erst mal keine schlechte Idee.
D.J.
Gast
@Reallöhne,
das betrifft aber gerade nicht die exportorientierten Bereiche, da sind die Löhne überproportional gestiegen. Dass die zunehmenden deutschen Exporte auf Lohndumping gründen, ist also ein Märchen. Wohl aber mögen vergleichsweise geringere Importe auch etwas mit geringen Löhnen im Dienstleistungssektor zu tun haben.
@Paul,
"du bist von der afd"
Argumentatorische Brillianz, wie wir sie von unseren Euro-Fans kennen.
fledder
@D.J. Das ist so nicht ganz richtig. Gerade die Autoindustrie, die bekanntermassen zur Exportindustrie gehört, greift in ihrer Produktion neben einer Stammbelegschaft auf eine grosse Anzahl Leiharheiter und Werkverrägler zu. Gleiches Schema wird mehr oder weniger für alle gelten.
@Rossignol
Gast
Statt sich in Selbsthass zu suhlen (mittlerweile eine etwas öde Zeitbeschäftigung), steht es Ihnen frei, sich ein weit liberaleres, sozialeres und erfolgreicheres Land in Europa zu suchen. Viel Vergnügen bei der Suche!
DE_in_CH
Gast
@@Rossignol Klar, ab in die Schweiz!
Ausgerechnet die Amis
Gast
„Auch die USA und der Internationale Währungsfonds hatten das deutsche Ungleichgewicht kritisiert.“
Eigentlich kam das zuerst von den VSA. Die haben das größte Interesse daran, die Wirtschaftsleistung der EU zu drücken. Am einfachsten geht das über das von den Amis besetzte Deutschland. Wir EU-Bürger dürfen das nicht zulassen. Wir müssen die EU endlich als ein Ganzes vieler EU-Staaten betrachten. Es ist vollkommen normal und akzeptabel, dass die Bilanzen einzelner Staaten unterschiedlich sind. Das ist auch so innerhalb Deutschlands.
Und wenn die Amis die Förderung der Binnenkonjunktur in Deutschland fordern, dann sehen die vornehmlich den Absatz ihrer eigenen Produkte, die keiner wirklich braucht, und eine Verschuldung der Privathaushalte. Letzteres destabilisiert unsere Volkswirtschaft. Es ist ein Strudel, in den uns die Amis schubsen wollen.
Wichtig ist, dass wir die Schulden der EU los werden. Das betrifft alle EU-Staaten.
Rolf
Gast
Wir sollten aber auch NEIN zu Japanischen und Süd-Koreanischen Importen sagen (mazda, toyota, fujitsu, kia, hyundai, ...) - die machen uns auch kaputt.
Rossignol
Mehr Deutschlands in Europa?
Bloß nicht - mir wird ganz schlecht bei dem Gedanken!
Reallöhne
Gast
http://www.eu-info.de/deutsche-europapolitik/umfragen-statistiken-deutschland/reallohn/
Warum sollten die anderen einen Nordeuro mit einem Lohndrücker eingehen? Die haben nachher dasseelbe Problem. Der Euro muss weg, wieder nationale Währungen die abwerten können.
Die anderen brauchen den Nordeuro nicht. Den meisten hat der Euro nichts gebracht. Die paar Touristen die da profitiert haben - sind ne reisende Minderheit.
bouleazero
@Reallöhne Falsch, der Euro hat allen Europäern Währungssicherheit gebracht. Ex- und Import profitieren davon, also auch alle Deutschen, die im Ausland Urlaub machen und Touristen, die nach Deutschland kommen. Nur Spekulanten haben dabei verloren und das ist auch gut so.
Sören
Gast
Der Euro ist nicht das Problem, sondern eine verfehlte Wirtschaftspolitik. Viele Bundesregierungen haben sich auf die Exportstärke verlassen, und nichts für die Binnenkonjunktur getan. Dies ist nicht gesund für unsere europäischen Nachbarn, noch für Deutschland. Denn durch dieses Modell sind wir abhängig von der Konjunktur in anderen Ländern und politischen Entscheidungen, die wir nicht beeinflussen können (etwa der US-Haushaltsstreit).
Wenn es in anderen Ländern zu einer Abschwächung der Konjunktur kommt, trifft uns das schnell, ohne das wir dann durch die Binnenkonjunktur ausgleichen könnten. Deshalb ist es ein richtiges Ziel, hier zu einem gesunderen Verhältnis zu kommen.
Mit Blick auf die Euro-Stabilitätskriterien muss man konstatieren, dass auch Deutschland sie nicht einhält (die Staatsverschuldung liegt bei ca. 80% der Wirtschaftsleistung, erlaubt wären 60%). Vor 10 Jahren war es eine deutsche Bundesregierung, die zusammen mit Frankreich darauf gedrängt hat, die Stabilitätskriterien aufzuweichen - weil Deutschland sie nicht einhalten konnte. Wer im Glashaus sitzt, sollte sich hüten, Steine zu werfen.
keetenheuve
Gast
An irgendwelche Regeln und vertragliche Verpflichtungen hält sich doch sowieso keiner in der EU, vor allem nicht die "Süd-Länder". Frankreich wird auch nächstes Jahr das Schuldendefizit weiter überschreiten und mit Sicherheit keine Strafen zahlen müssen, sondern wieder einen "Aufschub" bekommen. Von der Einhaltung der no-bail-out-Klausel in Maastricht braucht man heute gar nicht mehr zu reden, die ist praktisch nicht exisistent.
Dieser Euro ist einfach die falsche Währung für Deutschland und ein paar andere Staaten. Helfen kann da nur ein "Nord-Euro" oder was ähnliches für Deutschland, Niederlande, Österreich und Finnland.
paul
Gast
@keetenheuve du bist von der afd