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Deutsche in Afghanistan"Beliebte Ziele"

In Afghanistan sind erneut zwei Deutsche vermisst. Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul findet die Sicherheitslage "kritisch, aber nicht verheerend".

Wiederaufbau der ländlichen Infrastruktur Afghanistans - auch mit Hilfe deutscher Ingenieure und Experten. Bild: dpa

In Afghanistan sind erneut zwei Deutsche entführt worden. Wie das Auswärtige Amt gestern bestätigte, werden seit Mittwochmorgen zwei deutsche Staatsbürger vermisst, die in der Provinz Wardak, südwestlich von Kabul, unterwegs waren. Mit ihnen wurden offenbar auch fünf Afghanen entführt. Anders als in ersten Berichten vermeldet, arbeiteten die entführten Deutschen nicht für die UN, sondern für ein "in Kabul ansässiges Unternehmen", sagte Martin Jäger, der Sprecher des Auswärtigen Amts. Nähere Angaben zur Identität der Entführten machte er nicht, versicherte aber, dass sich sein Ministerium sich um ihre Freilassung bemühe.

Der Gouverneur der an Wardak angrenzenden Provinz Ghasni, Miradschuddin Pattan, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Vermissten befänden sich in der Gewalt einer Taliban-Gruppierung, die unter dem Kommando von Mohammed Nisam stehe. Die Gruppe sei auf einer Straße in der Provinz Wardak überfallen worden. Zwei der entführten Afghanen, beide Polizisten, seien wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

In den vergangenen Monaten waren Deutsche in Afghanistan mehrfach Opfer von Anschlägen und Entführungen. So starb im März ein Mitarbeiter der Welthungerhilfe bei einem Angriff auf seinen Konvoi im nordafghanischen Sar-e-Pul. Im Mai starben drei Soldaten bei einem Selbstmordanschlag in Kundus. Ende Juni wurde ein Deutscher im Südwesten des Landes zusammen mit seinem Übersetzer entführt, nach einer Woche aber freigelassen.

Auch wenn Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) die Sicherheitslage "zwar kritisch, aber nicht verheerend" hält, wie sie sagte, bedeutet die jüngste Entführung für die Organisationen vor Ort eine weitere Einschränkung ihrer Arbeit. Wie eine Sprecherin der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) der taz mitteilte, seien alle 70 deutschen GTZ-Mitarbeiter im Land angewiesen worden, vorerst keine Überlandfahrten zu unternehmen. Auch Ursula Koch-Laugwitz, Leiterin des Kabuler Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung will sich "sehr genau" überlegen, ob sie sich künftig "weiter als 100 Kilometer von Kabul entfernt".

Einen Vergleich mit dem florierenden Entführungsgeschäft wie im Irak mag Koch-Laugwitz jedoch nicht ziehen. Statt der Erpressung von hohen Lösegeldern, wie es im Irak häufig an der Tagesordnung ist, sieht sie politische Motive am Werk. "Deutsche sind derzeit beliebte Ziele", meint sie und verweist auf die im Herbst bevorstehenden Abstimmungen. Dann wird es um die Verlängerung des Mandats des deutschen Kontingents, die Beteiligung an Operation "Enduring Freedom" und den Einsatz der Deutschen gehen. Die Aufständischen beobachteten genau, wie die Stimmung in den jeweiligen Ländern im Hinblick auf den Einsatz ihrer Soldaten in Afghanistan sei und versuchten, gewaltsam Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen.

Auch Citha Maaß, die Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, sieht Deutsche in Afghanistan besonders gefährdet. "Truppenstellende Staaten, in denen die Öffentlichkeit starke Vorbehalte gegen den Einsatz hat, stehen besonders im Fokus der Aufständischen", sagte sie der taz. Auch im Fall der aktuellen Entführung spreche einiges für politische Motive. Zugleich sieht sie die steigende Gefahr von Entführungen, die von kriminellen Netzwerken mit dem Ziel der Erpressung von Lösegeld ausgeführt würden. Zwar sei deren Anzahl und Vernetzung noch nicht so ausgeprägt wie im Irak. "Das heißt aber nicht, dass die Situation in Afghanistan in ein paar Monaten nicht ähnlich aussieht wie im Irak".

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1 Kommentar

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  • DK
    Dr. Karim Gharwal

    Je länger der Krieg andauert, umso mehr werden sich Eskalationen verschiedener Art vermehren und von der Verlängerung werden die Taliban profitieren.

    Die Entführung ist an sich eine feige und hinterhältige Art des Widerstandes, da werden nur unschuldige Leuten gequält und ermordet, es ist egal, aus welchem Land die Entführten stammen, ist die Entführung weder mit islamischen noch mit menschlichen Werten vereinbart, allein diese schrecklichen verbrecherischen Taten zu verurteilen, ist nicht genug und helfen weder den Entführten noch deren Verwandten und ebenso kann sich die dortige Regierung dadurch aus der Verantwortung ziehen. In solche empfindliche Phase muss ein Staat wie Afghanistan eine Regierung haben, die Ehrlich, Sauber, Dynamik , qualifiziert, Durchsetzungsvermögen haben, das Leiden des Volkes gut kennt und das Vertrauen des Volkes mit Taten gewinnen kann. Mit diesen Eigenschaften ist es möglich, das Vertrauen des Volkes zu gewinnen und Achtung und Respekt der Bevölkerung kann gegenüber der Regierung dann systematisch steigern. Dadurch wird die Zusammenarbeit der Bevölkerung und Staat immer stärker und enger werden, dann kann sich dieser Staat zu stabilem Staat entwickeln. Die jetzige Regierung kann keine einzige Initiative während ihrer Amtszeit über 5 Jahren vorweisen, es herrscht chaotischen Zuständen in der Regierung und in Provinzen. Die Mitglieder des Parlaments verstecken sich hinter den Bodyguards, außer einem einzigen Abgeordneter. Sie müssen Kugelsicheren Autos haben, jeder/e Abgeordneter/in kostet dem Volk sehr viel, was aber diese Abgeordnete machen, ist ungeheuer, sie sind beschäftigt mit eigen Geschäften, sie schmieden eigene Machtsergreifungspläne.

    Herr Karzai ist auf Gründ der übertriebenen Hofierung der ausländischen Staatschefs Selbstsüchtig geworden, er hält von sich übertriebener Weise nun zu viel, er soll sich sein Werdegang vor Augen führen und über seine Leistung währen seines Amtes ehrliche Revue passieren, dann wird er selber erkennen müssen, dass mit Tricks, Falschheit, Unehrlichkeit, Showmacherei und minder Qualität diese schwere Lage nicht zu bewältigen ist. Man sieht ja , dass tagtäglich die Attacken zunehmen, man stellt weiter fest, dass durch die falsche Versöhnung so weit gekommen ist, dass Taleban, Leute von Gulbuddins und Kommunisten sich in Regierung, Parlament und in anderen öffentlichen Bereichen eingenetzt haben, dadurch existiert die Übersicht über die Lage weder von der Seite der Regierung noch von ISAF, NATO und USA überhaupt nicht, das ist auch der Gründ, warum die Taleban immer rechtzeitige ihre notwendige Informationen erhalten bzw. überall Zugang finden, zu berücksichtigen ist auch, dass die Nord-Allianz sich mit Kommunisten (einschließlich Dostum) und sogar mit der Clan des Ex- Königs geeinigt hat und gemeinsame ? Allianz der Nation? gegründet hat. Nun arbeiten Regierung und Parlament gegen einander. Dazu kommen noch Korruptionseuphorie, die Giere der Plünderung und Vetterwirtschaft. Die Regierung hat unzählige Schwachstellen.

    Es ist kein Wunder, dass die Taleban nun in der Lage sind, überall zu zuschlagen, wo sie es möchten, dadurch hat die Unsicherheit in Städten zugenommen.

    Das Volk ist äußerst unzufrieden, ISAF, NATO und USA machen einen Fehler nach dem anderen, daher nimmt der Zorn des Volkes noch zusätzlich zu. Die Taleban fühlen sich nun als Retter der Nation berufen zu sein.

    sie schrecken sich nicht von jeder Art ihrer Verbrecherischen Attacken und Entführungen. Der Gründstein von 2001 war falsch und unter falschen Voraussetzung mit falschen Leuten gelegt wurde. Herr Krieger G. W. Bush, Herr Dick Cheney und Herr Zalmay Khalilzad( Pudel von Ideologe Herr Cheney) haben gemeinsam mit dem Krieghetzer Herrn Rumsfeld diese schreckliche Desaster verursacht, sie haben unter falschen und betrügerischen und Voraussetzungen und mit falschen Leuten die Lage in Asien so weit gebracht, dass man nun Angst haben muss, dass das Feuer sich über die breiten Regionen ausbreiten wird.

    Russland, China und Iran werden sich unmittelbar betroffen fühlen, wie so was mansche Signalen dieser Art auch da und dort reflektieren und die Gefahr des 3. Weltkrieges wird dann dann immer größer und schließlich unvermeidbar. Die EU und USA Politiker sollen sich ernsthaft mit dieser Problematik auseinander setzen und sich nicht nur darum konzentrieren:

    Wir müssen mehr Soldaten und mehr Waffen nach Afghanistan schicken, wie auch während der damaligen UdSSR Besatzung demonstriert wurde, dass das Volk sich durch die Waffenvermehrung, Soldatenvermehrung und Verstärkung der Bombardierung der damaligen UdSSR mit mehr Motivation gewehrt hat.

    Wahrscheinlich freuen sich EU und USA wie Herr Karzai, dass Herr Musharaf nun auch endlich zugeschlagen hat, es kann sein, dass die Wirkung dieses Schusses fatale Folgen haben wird, wie solche Signalen da und dort festzustellen sind.