„Deutsche Welle“ entlässt Kolumnisten: Ein gefährlicher Präzedenzfall

Ein brasilianischer Kolumnist kritisiert Präsident Bolsonaro. Die „Deutsche Welle“ beendet daraufhin die Zusammenarbeit mit ihm.

Ein Mann mit Mundschutz guckt finster

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro Foto: Adriano Machado/Reuters

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich der katholische Priester Jean Meslier mit seinen Schriften über Religions- und Herrschaftskritik zu einem der Vordenker der Aufklärung. Drei Jahrhunderte später sorgt die Abwandlung eines seiner Zitate für Aufregung.

Mitte Juni schrieb der brasilianische Journalist J. P. Cuenca bei Twitter: „Der Brasilianer wird nicht frei sein, bis man nicht den letzten Bolsonaro mit den Eingeweiden des letzten Priesters der Universal-Kirche erdrosselt hat.“ Eine plakative Kritik an der engen Beziehung zwischen der Bolsonaro-Regierung und fundamentalistischen Pfingstkirchen.

Cuenca erhielt daraufhin Hunderte Morddrohungen, wurde von Bolsonaro-Un­ter­stüt­ze­r*innen angefeindet. Der Satz sei laut Cuenca als kritische Satire zu verstehen und werde als Abwandlung häufig verwendet. Eine Metapher eben. Dies wollte er in einem Text für die ­Deutsche Welle klarstellen, für die Cuenca als Kolumnist tätig war. Doch dazu kam es nicht. Die DW beendete die Zusammenarbeit und distanzierte sich bei Twitter von „Hassdiskurs und Anstiftung zu Gewalt“. Cuenca habe mit seinem Tweet gegen die Werte des Mediums ­verstoßen.

Dieser bezeichnete die Stellungnahme der DW als „verlogen, feige und verleumderisch“ und will nun klagen. Der Sender mit Sitz in Bonn schweigt seitdem. Das brasilianische Presse-Observatorium bezeichnete die Kommunikationspolitik der DW als „katastrophal“.

Die Kommunikation ist nicht nur hochgradig unsouverän, sondern sie hat auch einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Denn es drängt sich der Verdacht auf, dass der Druck der Rechten ausschlaggebend für die Entscheidung der DW war. Eingeknickt vor dem Bolsonaro-Mob? Vielleicht. Auf jeden Fall zeigt die Episode, wie erfolgreich Diffamierungskampagnen im Netz agieren, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Seit Langem verbreitet das sogenannte Kabinett des Hasses über soziale Medien systematisch Desinformationen und Hetze. Die vorschnelle Distanzierung der DW von ihrem Kolumnisten bestätigt die Strategie der Rechten.

So ist es nicht erstaunlich, dass das Ende der Zusammenarbeit von ihnen gefeiert wurde. Eduardo Bolsonaro, Präsidentenspross, schrieb auf Twitter: „Glückwunsch Deutsche Welle. Es gibt noch Hoffnung für einige Teile der Medien.“

Mittlerweile hat sich die Deutsche Welle zu den Vorwürfen in einer Stellungnahme geäußert. Die Deutsche Welle distanziert sich noch immer von den Äußerungen des freien Mitarbeiters und verweist auf die eigenen journalistischen Richtlinien. Für Gewaltaufrufe gebe es keine Rechtfertigung, heißt es, „aus welcher ‚historischen‘ Verbrämung auch immer sie sich ableiten.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.