Deutsche Parteien und ihr Nachwuchs: Ganz schön viel Jugend
Jung und weiblich – das wären die Parteien gern. Verrückt, sie haben doch große Jugendorganisationen. Aber die gehören scheinbar nicht richtig dazu.
BERLIN taz | Was hat er nicht für einen Widerhall erfahren, der Peter Tauber. „Jünger und weiblicher“ solle die CDU werden, hat der Generalsekretär vor kurzem erklärt. Wer würde da schon widersprechen? Schließlich gelten insbesondere die beiden Volksparteien gern als verstaubter Klub älterer Herren. Die SPD mit ihrer Troika im vergangenen Bundestagswahlkampf geriet zum Sinnbild hierfür. Manch einer warnt angesichts des demografischen Wandels gar vor einer „Gerontokratie“.
Das muss man sich einmal vorstellen. Da gibt es die Junge Union (JU), die nach eigenen Angaben über 100.000 Mitglieder hat, und der CDU-Generalsekretär vermisst den Nachwuchs in der Partei. Ein Anruf im Bundesvorstand der JU: Vielleicht möchte sich ja dort jemand über die Nichtbeachtung empören? Laura Stoll ist medienpolitische Sprecherin und findet das alles nicht so dramatisch. „Ist ja ein gutes Ziel, für die Union als Ganzes“. Vielleicht sei es in manchen Teilen Deutschlands schwierig, sich „gegen alte Hasen“ durchzusetzen. Aber sonst? Sie hat es ja auch geschafft: von der 16-jährigen Laura im Ortsverband in Sachsen-Anhalt bis zur 29-jährigen Laura Stoll im Bundesvorstand.
Es ist wohl wenig überraschend, dass die höchsten Vertreter der Parteijugend mit Kritik am Status Quo sparen. Sie profitierten schließlich davon. Doch ein Telefonat mit der Basis verschafft einen anderen Eindruck. Paul Schuster (Name geändert) ist seit etlichen Jahren in der JU aktiv und nach reichlich Arbeit mittlerweile immerhin mit einem Posten in der JU ausgestattet. Er ist einer, der den Apparat der JU kennt.
„Das ist ein Bienensystem“
Er sagt: „Die Mutterparteien unterschätzen die Jugend.“ Die JU würde für Wahlkämpfe, Plakate kleben und Infostände missbraucht. „Das ist ein Bienensystem“, meint Paul Schuster. Strukturen müssten „deutlich reformiert“ werden, viele fühlten sich bei den Hilfsarbeiten „massiv unterfordert“. Ein Raum voller 65-jähriger „Silberköpfe“ wirke abstoßend. „Es wird so getan, als würde die Jugend durch den 34-jährigen Philipp Mißfelder repräsentiert“, empört sich Schuster. Natürlich wäre der Vorsitz der JU – wie bei den Jusos – ein Karrieresprungbrett. Doch das sei kein Selbstzweck.
Paul Schuster möchte nicht einmal ausschließen, dass die JU überflüssig ist. Warum Jugendliche aus den Parteien überhaupt organisatorisch ausgeschlossen werden, vermag ohnehin keiner recht zu beantworten. Ein bisschen neidisch blickt Schuster daher zu den Grünen. „Die schaffen das, die jungen Leute in die Parteiarbeit einzubinden“, findet er. „Bei uns gibt's doch nur den einen Quotenjungen für die Kameras“, beklagt Schuster.
Theresa Kalmer findet auch, dass es bei den Grünen gut läuft. Sie ist Bundessprecherin, wie der Vorstand der Grünen Jugend (GJ) heißt. Sie mache nur „gute Erfahrungen.“ Die GJ sei eine Art grüner Thinktank, der Impulse und grüne Ideen in die Mutterpartei hineintrage. „Wir haben Freiraum, die Positionen selbst zu erarbeiten und zum Bundeskongress kommen auch Grüne, die mitdiskutieren“, erzählt Kalmer. Um nach vorne zu kommen, brauche man Idealismus und „muss auch mal auf die Pauke hauen“, sagt sie. Die Zusammenarbeit aber laufe prima, alle würden miteinander sprechen. Doch auch Grüne haben gelegentlich Schwierigkeiten mit dem Auftreten ihres Nachwuchses, wie die parteiinternen Reaktionen auf das „Juhuu“-Video der jungen Europaabgeordneten Ska Keller, Jan Philipp Albrecht und Terry Reintke letztens zeigten.
Peinlich, wenn die CSU Facebookpartys macht
Die Jusos haben nach Angaben der Juso-Bundesvorsitzenden Johanna Uekermann etwa 70.000 Mitglieder. Beim Mittagessen unweit des Willy-Brandt-Hauses widerspricht sie der Darstellung der ausgegrenzten Jugend. „Das ist eine Frage der Sichtweise“, sagt die 26-Jährige. Die Jusos seien schließlich als linker Flügel schon in die Partei direkt eingebunden. Und trotz dieser Nähe äußerten sich die Jusos häufiger kritisch als die organisatorisch unabhängigere JU.
Thematisch beschränkten sich die Jusos zwar nicht auf Jugendthemen. Dennoch könne man als Parteinachwuchs jüngere Menschen natürlich besser ansprechen. Das gelingt den Mutterparteien in der Tat nur mit eher mäßigem Erfolg. Es wird schnell peinlich, wenn die CSU Facebookpartys macht, findet Uekermann. „Das ist nicht authentisch.“ Besser wäre es, die Jugendlichen ernst zu nehmen, ihren Forderungen Gehör zu verschaffen und sie mitentscheiden zu lassen.
Die Jugend ernst nehmen. Das gelingt auch in der SPD nicht jedermann. Jedenfalls, wenn man den Erfahrungen von Bert (Name geändert) Glauben schenken darf. Als er mit knapp 18 in die SPD eintrat und seinem Ortsverein im Ruhrgebiet zur Jahreshauptversammlung einen Besuch abstattete, da betrat er eine ruchige Kneipe voller grauer Eminenzen, die ihn erstaunt ansahen. Was er dort wolle, fragte man ihn. „Ich bin Sozialdemokrat“, erwiderte Bert irritiert.
Sie schickten ihn zu den Jusos. Dort könne er ja mitmachen, das hier sei eher nichts für ihn. Bei den Jusos planten sie da gerade ein Dosenwerfen in der Innenstadt. „Ich habe mich abgeschoben gefühlt“, erzählt er. „Warum sind eigentlich alle unter 35 Zwangsmitglied der Jusos?“, fragt Bert. „Wir sollen im Sandkasten spielen, während die großen Jungs Politik machen.“
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