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Deutsche OlympiabewerbungenSpiele im Schlaraffenland

Die Begeisterung der Menschen in Deutschland für Olympische Spiele im eigenen Land kennt keine Grenzen. Oder etwa doch?

Ewige Olympialiebe: die olympischen Ringe auf einem Athletinnenrücken Foto: imago

D eutschland ist im Olympiafieber. Landauf, landab träumen die Menschen von Sommerspielen in ihrem Heimatland. In Hamburg, München, Berlin und der Region Rhein/Ruhr kennt die Sportbegeisterung keine Grenzen. Die Bewerberkonzepte aus Deutschland liegen auf den Couchtischen der Wohnzimmer und werden heiß diskutiert, wenn sich die Familien des Landes sonntags um den Kaffeetisch versammeln. Es gibt nur noch eine Frage, über die sich die Menschen unterhalten: Wann und an welchem Ort finden endlich wieder Olympische Spiele in Deutschland statt?

Der Wettstreit der vier Bewerber hält die Sportnation in Atem. Wer wird das Rennen machen? Bayer oder Preußen, Hanseaten oder Kumpel und Karnevalisten? Schon gehen die ersten Ticketanfragen bei den Organisationskomitees, die sich noch gar nicht gegründet haben, ein.

Im Fitnessstudio fragen sich Kundinnen, ob es wohl noch Karten für das Gewichtheben der Frauen in der Klasse bis 71 Kilo gibt und so manch einer aus der Bundesligaschützengilde der SG Edelweiß Scheuring soll sich schon überlegen, ob er sich die fünf Ringe hinter das Ohr tätowieren lassen soll. Denn schon 2036 könnte es so weit sein. Oder 2040. Und wenn es auch da nicht klappt mit Olympia im eigenen Land, dann eben 2044. Sind ja auch nur noch 19 Jahre.

Spätestens dann sollte es nun wirklich klappen mit dem Zuschlag für die Spiele durch das Internationale Olympische Komitee. Man hat ja schließlich gelernt aus den gescheiterten Bewerbungen der jüngeren Vergangenheit. Zweimal war München gescheitert mit einer Bewerbung für Winterspiele und einmal Hamburg. Die war bei den Bürgerinnen und Bürgern durchgefallen, woraus Deutschlands Sportfunktionäre geschlossen haben, dass es sinnvoll ist, bald schon wieder den Hut in den Ring zu werfen.

Deutschland ist auch nicht anders als Paris

Irgendwann muss es ja klappen mit deutschen Spielen, scheint man sich im Deutschen Olympischen Sportbund sicher zu sein. Und dann waren da ja noch diese wunderbaren Spiele von Paris im vergangenen Jahr. Hand aufs Herz: Wer hat bei den Bildern vom Beachvolleyball unter dem Eiffelturm nicht vor Freude weinen müssen? Toll war’s. Das kann Deutschland auch, schallt es seitdem durchs Land und so werben die Bewerber mit Dingen, die sie für ebenso wunderbar und unvergleichlich halten wie all die Pariser Sehenswürdigkeiten, die zur Kulisse für die besten Sportlerinnen und Sportler der Welt gemacht worden sind.

Die Berliner wollen vor dem Brandenburger Tor Beachvolleyball spielen lassen, die Münchner auf der Theresienwiese eine Art Olympiavoroktoberfest feiern, Hamburg einen Olympiadom auf dem Heiligengeistfeld, und wenn in Düsseldorf im Sand gebaggert wird, dann fließt bestimmt genug Prosecco für alle Funktionäre. Wer da noch an die Bilder aus Paris denkt, dem ist nun wahrlich nicht zu helfen.

Zwar mögen sich die Bewohner der Bewerberregionen wundern, dass sie allenthalben über Schulden und Sparpläne in diesen Krisenzeiten lesen müssen, umso größer wird ihre Freude sein, dass für Olympische Spiele Geld zu fließen scheint wie Milch und Honig im Schlaraffenland. Aus Olympischen Dörfern soll bezahlbarer Wohnraum werden, und wer sich fragt, ob man solchen nicht auch schaffen könne, ohne den olympischen Tross in die Städte zu holen, der hat von Sport keine Ahnung. Und von Olympia schon gar nicht.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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