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Deutsche Netflix-Miniserie „Barbaren“Germania Gaga

Die Netflix-Miniserie „Barbaren“ bemüht sich um Detailtreue und ist historisch sauber gearbeitet. Leider bleibt sie im „Terra X“-Schmodder stecken.

Barbaren: Folkwin (David Schütter, l.) und Berulf (Ronald Zehrfeld) Foto: Katalin Vermes/Netflix

Wer am Samstag in Coronazeiten im Hotel übernachtet, dem kann nach Stunden sonniger Lektüre mit Meerblick und einem frühen Küstenabendbrot schon mal ein kühner Gedanke kommen: Warum eigentlich nicht – fernsehen? So wie zuletzt vielleicht in den 90ern ohne größere Erwartungen loslegen und schauen, was da so läuft. Der Samstag ist insofern ein unfairer Tag dafür, weil von den Programmmachern erwartet werden darf, dass werberelevante Schichten sich saturday night draußen austoben – in normalen Zeiten jedenfalls.

Aber die Zeiten sind ja nicht normal. Der TV-Abend läuft dann so, dass man sich gar nicht wutbürgermäßig über die Abgabenverschwender aufregt, sondern eher in so ein irres Kichern verfällt, denn es stimmt ja: Mit einem Joint wäre das alles vielleicht zu ertragen und sogar lustig, dieses Zappen zwischen „Silbereisen gratuliert: Das große Schlagerjubiläum“, „Schlag den Star“, allem möglichen lieblos runtergedrehten Krimimist, über die übliche Burgen- und Hitlers-letzte-Reste-Dokus bis hin zu einem nun offensichtlich total weggeblasen verfassten Drehbuch von „Tatort: Das Team“.

Dieser kleine Vorspann verdeutlicht nur eine Selbstverständlichkeit: dass nämlich zu bezahlende Streamingdienste sich von diesem Niveau abheben müssen. Und ebendies gelingt der neuen Netflix-Serie „Barbaren“ nicht. Sie bleibt, abgesehen von ein bisschen sauberer Nacktheit hier und ein paar schmutzigen Enthauptungen dort im deutschen „Terra X“-Schmodder stecken und ist damit so überflüssig wie ein Suebenknoten.

Womit wir beim grundsätzlichen und vielleicht sehr deutschen Missverständnis der Macher sind, was TV-Unterhaltung eigentlich ist – nämlich Unterhaltung, also Kunst und nicht Volkshochschule. Man kann ja anerkennen, dass „Barbaren“ sich um Detailtreue bemüht und historisch-ideologisch sauber gearbeitet ist; aber wenn man dabei dauernd einschläft, ist nichts gewonnen. Umgekehrt ist es so, dass Fehler wie Reiter mit Steigbügeln – eine Erfindung, die erst ein paar Jahrhunderte später nach Europa kam – ja nur verdeutlichen: Wir waren nicht dabei. Wir wissen nicht, was dieser Arminius, dieser Varus, diese Thusnelda rund um die Zeitenwende in einem Landstrich östlich des Rheins eigentlich wollten. Wir interpretieren Quellen und schauen, was uns heute daran interessieren könnte.

Schullatein und Mittelaltermarkt

Was uns „Barbaren“ in sechs Folgen erzählt, ist die mit familiären und freundschaftlichen Konstellationen austapezierte Geschichte vom Germanen Arminius, der, in Rom militärisch ausgebildet und kultu­ralisiert, sich zum Verräter wandelt und in der berüchtigten Varusschlacht im Jahr 9. n. Chr. wahrscheinlich beim heutigen Kalk­riese bei Osnabrück den Römern eine Niederlage beschert.

Die Römer reden Schullatein mit italienischem Akzent, die „Germanen“, die sich, in Stämme zerstritten, wie sie sind, gar nicht in der römischen Bezeichnung wiedererkennen, sprechen ein modernes Deutsch. Sie sind allgemein etwas schlapp, sehen so mittelaltermarktmäßig aus – irgendwie erwartet man, sie würden sich gleich ein Tabakpäckchen aus der Kutte holen, weil das alles so mühsam ist mit dem Barbarenleben.

Die Schauspieler:innen, die sie verkörpern, sind durchweg schwächer als die Römer, meist sogar peinlich schwach – also nicht auf internationalem Niveau. Die Dramaturgie hat gähnende Längen und die Musik ist grauenhaft.

Will man das Genre zeitgenössischer Sandalenfilm ernst nehmen, dann muss man sich mit von existenzialistischer Düsterkeit geprägten Produktionen wie „Der Adler der neunten Legion“ (2011) messen – da bleibt man dann auch wach, einfach weil es einen selbst angeht. Immerhin: Wenn der österreichische Burgschauspieler Laurence Rupp als ins Dorf zu seinen Jugendfreunden Zurückgekehrter sagt: „Ich heiße jetzt Arminius“ – dann ist da ein Moment der Intensität und Glaubwürdigkeit, auf den sich in einer zweiten Staffel vielleicht aufbauen ließe.

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20 Kommentare

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  • Ähem, wie wär's mit einem Spoiler-Alert zum Artikel?

  • Was für eine verpasste Chance, mit viel Geld eine tolle Serie zu bewerkstelligen.

    Aber das Ergebnis mal wieder ganz Deutsch, tolle Idee, gute Ausstattung, bekannte SchauspielerInnen, aber mit der typisch lahmen Dramaturgie eines Tatorts abgedreht.

    Wir alle wissen ja, dass Tatorte eine ABM-Massnahme sind für Involvierte auf Kosten von GebührenzählerInnen und um insbesondere die Zielgruppe BeamtInnen in den Verwaltungen nicht zu viel Aufregung an einem Sonntag zu zu muten...



    Man stelle sich nur mal vor das Team Moffit & Gattis hätte Hand anlegen dürfen....

  • Da muß man sich doch fragen, ob der Redakteur dieselbe Serie gesehen hat, wie man selbst. Ich war durch die Serie jedenfalls gut unterhalten.

    Aber es ist wie immer: wenn ich mich als Kritiker hervortun möchte, muss ich motzen. Das passiert hier in Reikultur. Und das in einer Art, dass sich die Kritik in einigen Punkten selbst widerspricht. Da kann man nur gratulieren.

  • Nun, zu der Sache des "italienischen Akzentes" - wie von anderen Nutzern schon angemerkt (und auch vom Autor selbst), sollte sich das Format möglichst an die belegbaren Quellen halten. Die Varrusschlacht, die im Jahr 9 n.Chr. stattfand fällt in die Phase der Goldenen Latinität. Natürlich weiß man heutzutage nicht ganz genau, wie die Römer Latein sprachen; allerdings weist die große Mehrzahl der Rekonstruktionen (durch z.B. Umschriften) darauf hin, dass die Aussprache in dieser Hochphase einen "italienischen" Akzent hat. (Auch wenn dieser Begriff absoluter Non-sense ist, denn wenn, dann hat das Italienische einen Klassich Lateinischen "Akzent". Das einzige Problem war meiner Meinung nach die Inkonsistenz bei der Aussprache von ae oder oe - Mal war es ein ä, mal ein ai. (Klassich korrekt im Übrigen eher ein ai).



    Natürlich war die Serie nicht historisch genau, aber wenn man etwas Interesse an dem Thema zeigt, dann war sie auch nicht gleich zum Einschlafen langweilig. Liegt vielleicht daran, dass viele Menschen vergessen haben, dass das Leben auch damals nicht aus romanartigen dramaturgischen Hinführungen und extrem komplexen Charakteren besteht - so wenig wie heute.



    Ebenso - Schullatein. Wie heute bei uns, konnten früher auch nicht alle fehlerfrei sprechen. Wie viele Menschen verwechseln Dativ und Akkusativ, oder verhaspeln sich in ihren Sätzen? Noch dazu muss gesagt werden, dass es sich bei Unterhaltungen am Lagerfeuer irgendwo im Wald und Befehlen in den Kasernen natürlich nicht um die bekannte ausgefelte Rhetorik eines Cicero handelt, sondern vielmehr um Umganssprache. Wer schon einmal ein Werk von Caesar gelesen hat, wird ganz schnell merken, dass das "Schullatein" tatsächlich so gesprochen und geschrieben wurde.



    Wirkt auf mich alles nicht sehr gut recherchiert. Man kann es aber auch nie allen Recht machen. Einerseits bemängelt der Autor die Steigbügel, die die Historizität in Frage stellen, auf der anderen Seite ist die historische Korrektheit dann langweilig.

  • Ein wenig wie bei den Karl-May-Festspielen, die ganze Ausstattung, wenn man das mal mit „Gladiator“ vergleicht. Jedes ! Römerlager hatte zur Zeit von Varus einen geschlossenen Palisadenwall, sah hier im Film nach Pfadfinderlager aus. Nur als ein Beispiel. Die Darstellung der Germanen als so eine Art Freiheitskämpfer und der Römer als brutaler Unterdrücker, entspricht auch in seiner wenig komplexen Weise nicht der historischen Realität. Die germanischen Stämme haben sich ständig untereinander brutal bekämpft. Die Römer haben die Situation eher befriedet, trotz eigener Interessen. Was die Germanen in erster Linie zum Angriff auf die drei Legionen veranlasste, war die enorme Beute, die zu machen war. Es gab keine Gut/Böse-Konstellation in diesem blutigen Kampf.

  • Ich habe gestern zu meiner Frau gesagt: "Es ist so ein bisschen wie Lindenstraße mit Köpfe abhacken."

    • @Frank Brozowski:

      Bester Kommentar... oder auch mit der Dramaturgie eines Tatorts....

  • Ich fand die Serie gut. Wir haben sie an drei Abenden durchgesehen, weil wir wissen wollten wie es weitergeht. Dass die Schauspieler es nicht gut gemacht hätten, kann man so auch nicht stehen lassen. Ich finde gerade David Schütter hat sehr gut gespielt. Es ist ja auch keine so ewig lange Serie, also ich empfehle sie.

  • Schlecht war die Serie nicht. Nur leider sehr mittelmässig.



    Braveheart + Asterix.



    Und ein bisschen Avatar-Ureinwohner-Romantik



    Fertig.



    Vikings hatte zumindest komplexe Charaktere mit moralischen Graustufen. Verpasste Chance.

    • @Oi Gevalt!:

      Charaktäre dürfen und sollten sich auch im Verlaufe der Serie entwickeln. Bei Vikings hatten die Charaktäre in der ersten Staffel auch noch nicht die Komplexität wie in der Dritten. (Ausser Ragnar vielleicht)

  • Mir waren die Leute einfach zu sauber. In einer Zeit in der mit dem offenen Feuer gekocht und geheizt wurde und es keinen Fleckentferner gab, sollten die Darsteller nicht in makellosen Kostümen rumlaufen.

  • Man kann es sich ansehen, als Unterhaltung buchen und dann ist gut. Es wurde versucht so dicht als möglich an dem zu bleiben, was man belegen kann. Man hat zugestänisse an die heutigen Zeiten, Versicherungen und gegebenheiten gemacht.

    Dennoch ist es ein wenig schöne und schnelle Unterhaltung :)

  • Ich kann der Einschätzung des Autors nicht folgen. Die Steigbügel sind historisch nicht korrekt aber es trägt vielleicht zur Sicherheit am Set bei. Mir gefielen auch die Schauspieler/innen ziemlich gut. Und was die Aussprache betrifft - wie sollten sie denn sprechen?



    Sollten sie anfangen wie bei Mel Gibson Apocalyptico oder Passion Christi? Wer will das sehen?



    Auch die Kostüme und die Kulissen haben mir gefallen. Und der persönliche bzw. familiäre Aspekt hat zur Dramaturgie beigetragen.

  • Naja, so schlecht ist die Serie wirklich nicht, aber auch leider nicht herausragend.



    VIKINGs z.B. ist deutlich besser, hat intensivere Schauspieler, mehr Schauwerte, ist aber historisch auch nicht korrekt.



    Hier die Sprache zu bemängeln, finde ich unfair. Kein Mensch weiss genau, wie man damals gesprochen hat.



    Diesen Vorwurf müsste man dann auch z.B. Kubricks SPARCATUS oder Scotts GLADIATOR machen.



    Dass die Römer in BARBAREN Latein sprechen, finde ich hingegen sehr gut, weil die Sprachunterschiede hier tatsächlich ein dramaturgisches Element ist.



    In anderen „Sandalenfilmen“ wird das eher ignoriert.



    Sechs Folgen sind auch kein Martyrium und ich habe mich dabei recht gut unterhalten.



    Wer grundsätzlich mit dem Genre kein Problem hat, sollte ruhig mal einen Blick riskieren.

  • 0G
    02881 (Profil gelöscht)

    Oh ja, der zeitgenössische Barbaren- / Mittelalter-/ Wikingerfilm – da graust's den Hobbyhistoriker immer wieder aufs Neue!! Sieht alles aus wie beim Bikertreffen oder in Wacken: Zopffrisuren, rasierte Schläfen, Muckis, Tribaltatoos, finstere Blicke etc. etc. Fehlen nur noch mehr oder weniger versteckte Swastikas...

    • @02881 (Profil gelöscht):

      Fürs Kostümdesign bei Barbaren war Kaptorga aus Bernau zuständig, die haben einen ziemlich guten Ruf was solche Themen angeht.

      Aber was wissen schon Leute mit Universätsabschluss...

    • @02881 (Profil gelöscht):

      "...Fehlen nur noch mehr oder weniger versteckte Swastikas..."



      Vermuten Sie ernsthaft in zeitgenössischen Historenflmen/Serien versteckte Neonazis?



      Klingt für mich eher dem Zeitgeist geschuldeter Nazi-Hysterie.

      • @Stefan L.:

        Man ist doch hier auf taz.de, es muss bei jeder Gelegenheit vor der braunen Gefahr gewarnt werden!

        • @Indossatar:

          Ich war auch gut unterhalten bei der Serie. Trotzdem gibt es die Möglichkeit einen Schritt zurück zu treten und das ganze versuchen etwas genauer zu betrachten.

          Auch wenn es hier Menschen zu geben scheint die damit kein Problem haben das ggf. völkischer Unsinn in einer solchen Serie transportiert wird bzw. denken dass man in einer Serie nicht mehr entdecken kann als eine historische Aufarbeitung mit ein paar Mängeln, sind durchaus Ideologie kritische Analysen eines solchen Werkes möglich.

          Zwar werden die einzelnen Stämme bei ihrem Namen benannt und somit die Heterogenität der damaligen Bevölkerungsgruppen abgebildet, dadurch dass sie aber alle dieselbe Sprache sprechen - und zwar auch noch modernes Hochdeutsch - und die Römer eine geschlossene Sprache sprechen, werden hier zwei sich gegenüber stehende, in sich geschlossenen Gruppen konstruiert.



          Das Motiv des kleinen unterdrückten Volkes von der großen imperialistischen Großmacht, findet sich zudem auch in heutigen politischen Positionen wieder - auch hierzu gäbe es einiges zu berichten.



          Dadurch das also schlussendlich "die" Barbaren als Freiheitskämpfer, die sich von der unterdrückenden Großmacht befreien als Helden inszeniert werden - deren Gesellschaften aber auf keinen Fall frei wären - werden hier positive Bilder der für Freiheit kämpfenden inszeniert. Der Schritt des unreflektierten Zuschauers darin den Ursprung germanisch-deutscher Größe meinen erkennen zu können ist nicht weit entfernt.

          Soviel als Anstoß. Ich denke, dass eine präzise Analyse durchaus Einsichten in die Serie ermöglichen könnte, die mehr sind als oberflächliche, durchschnittliche "antik-mittelalterliche" Fernsehunterhaltung.

          • @WeistDuDochNicht:

            "Dadurch das also schlussendlich "die" Barbaren als Freiheitskämpfer, die sich von der unterdrückenden Großmacht befreien als Helden inszeniert werden - deren Gesellschaften aber auf keinen Fall frei wären - werden hier positive Bilder der für Freiheit kämpfenden inszeniert. Der Schritt des unreflektierten Zuschauers darin den Ursprung germanisch-deutscher Größe meinen erkennen zu können ist nicht weit entfernt."



            Eindeutig reflektierte Zuschauer werden vielleicht auf solche Gedanken kommen bzw. da eine weitere Bestätigung ihrer Ansichten finden.Ob aber die "Unreflektierten" von dieser Doku ausgehend,den Bogen zum dritten Reich schlagen werden,halte ich für sehr überzogen.Um auf dieses schmale Brett zu kommen,muß man zu denen gehören,die hinter jedem ostdeutschen Laternenpfahl Nazis vermuten.