Deutsche Bahn spart bei Entschädigungen: Fahrgäste haben das Nachsehen
Die EU-Verkehrsminister haben sich darauf geeinigt, dass Zugverspätungen in Fällen von höherer Gewalt keinen Entschädigungsgrund mehr darstellen.
![Sicht aus dem fahrenden Zug auf Bäume Sicht aus dem fahrenden Zug auf Bäume](https://taz.de/picture/3832457/14/bahn_sturm_wetter_versptaeungen_entschaedigungen_fahrgaeste.jpeg)
Sind Stürme oder andere extreme Wetterlagen schuld an Verspätungen bei der Bahn, müssen die zuständigen Unternehmen betroffene Reisende künftig nicht mehr entschädigen. So sehen es zumindest die EU-Verkehrsminister. Sie haben sich am Montag bei einem Treffen in Brüssel darauf geeinigt, dass Bahnunternehmen in Fällen von Verspätungen wegen höherer Gewalt, wie etwa extremer Wetterlagen, keine Entschädigungen an Reisende mehr zahlen müssen.
Die EU-Kommission hatte bereits vor zwei Jahren vorgeschlagen, dass Bahnunternehmen – ähnlich wie etwa Fluggesellschaften – bei Verspätungen oder Ausfällen nicht zahlen müssen, wenn sie die dafür verantwortlichen Umstände nicht hätten vermeiden können. Der Deutschen Bahn kommt dieser Vorschlag äußerst gelegen. Denn die Entschädigungszahlungen an ihre Fahrgäste haben sich in den vergangenen fünf Jahren für den Konzern mehr als verdoppelt.
Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom August hervorgeht, musste das Unternehmen 2018 infolge von Verspätungen und Zugausfällen rund 54,5 Millionen Euro an ihre Fahrgäste erstatten. 2014 waren es noch 27 Millionen Euro.
Der Entschädigungsrekord ist vor allem auf die mangelnde Pünktlichkeit im Fernverkehr zurückzuführen. 2018 kamen nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 25,1 Prozent der ICE- und IC-Züge unpünktlich am Zielbahnhof an, das heißt mit mehr als sechs Minuten Verspätung. 2017 waren noch 21,5 Prozent der Fernzüge unpünktlich. Der Anteil der Störungen durch „höhere Gewalt“ ist aber ebenfalls deutlich gestiegen. Und zwar auf 13,5 Prozent im Jahr 2018 – nach 11,4 Prozent 2017 und 9,4 Prozent 2016.
Im Europaparlament ist eine Mehrheit der Abgeordneten gegen eine solche Regelung. Vor einem Jahr hatte es eine entsprechende Reform bereits mehrheitlich zurückgewiesen. Mehr noch forderte das EU-Parlament sogar deutlich höhere Entschädigungen für Bahnreisende bei Verspätungen. Auch Verbraucherschützer kritisieren den Beschluss der EU-Verkehrsminister. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hingegen findet, es sei richtig, „einen Ausgleich zwischen den Interessen der Fahrgäste und der Eisenbahnunternehmen“ zu schaffen.
Sollte der Beschluss der EU-Verkehrsminister umgesetzt werden, dürften Bahnfahrende bei Verspätungen nur noch selten auf Entschädigungen setzen können. Denn zumindest die Deutsche Bahn zählt zur höheren Gewalt nicht nur extremes Wetter, Unfälle und Streik, sondern auch „plötzlich auftretende Fahrzeugmängel“. Bevor die Änderungen aber tatsächlich in Kraft treten können, muss es noch eine Verständigung auf eine gemeinsame Position mit dem Europaparlament geben. Und dazu wird sicherlich auch gehören, die Bezeichnung „höhere Gewalt“ zu präzisieren.
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