Deutsche Afghanistan-Aufarbeitung: Eine schlechte Bilanz
Bundesregierung und Parlament machten schwere Fehler in Sachen Afghanistan. Auch die Bundeswehr richtete vor Ort einigen Schaden an.
D ie deutsche Aufarbeitung des „furchtbar“ (Merkel) gescheiterten Afghanistaneinsatzes nähert sich ihrem Ende. Der Abschlussbericht der Enquetekommission des Bundestages ist seit Montag öffentlich, der Bericht des parallelen Untersuchungsausschusses folgt. Beide werden noch diese Woche im Bundestag debattiert.
Die Bilanz ist eindeutig: schlecht. Für die Menschen in Afghanistan, aber auch, was die Afghanistanpolitik der Bundesregierung betrifft. Realitätsverleugnung und bewusste Fehlinformation von Öffentlichkeit und Parlament sind nur zwei zentrale Stichworte. Der Bundestag, der die Bundeswehr mandatierte, versagte bei der Einsatzaufsicht. Die in beiden Berichten postulierten „Teilerfolge“ am Hindukusch sind längst in der Verbotsflut der Taliban versunken.
Gemischt ist die Bilanz, was die Schlussfolgerungen betrifft. Ein paar bürokratische Umbauten, um in Krisensituationen zu einem realistischeren Lagebild zu kommen, dürften nicht ausreichen. Ressort-Egoismus ist wohl systemischer Natur. Werden oft beratungsresistente Ministerien Wissenschaft und Zivilgesellschaft wirklich besser einbeziehen, über Alibiveranstaltungen hinaus? Noch schwieriger wird es im internationalen Raum.
Und die Bundeswehr? Sie bekam viel Lob, von allen Seiten. Das ist wohl der neue Sound der „Zeitenwende“. Berechtigt ist es nur für die letzte Phase, und da nur für die Evakuierung der deutschen Botschaftsmitarbeiter*innen. Für die meisten Ortskräfte reichte ihr Einsatz schon nicht mehr.
Richtig, sie führt ja nur Berlins Aufträge aus. Vor Ort hatte sie allerdings Spielraum und richtete einigen Schaden an. Sie kooperierte mit Warlords, zum Selbstschutz, ließ die örtliche Zivilbevölkerung dabei aber außen vor. Sie kooptierte Entwicklungshelfer, um ihr Label auf Projekte zu kleben, und gefährdete sie damit. Sie verursachte ungesühnt zivile Opfer, Stichwort Kundus. Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Parlament sind gefordert, dass die Afghanistanberichte nicht auf Regalbrettern Staub ansetzen.
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