Deutsch-tansanische Freundschaft: Rosenhochzeit an der Elbe

Hamburg feiert zehn Jahre Städtepartnerschaft mit dem tansanischen Daressalam. Zu Gast ist auch ein Bischof mit heiklen Ansichten zur Homosexualität.

singende Menschen

Selbstbewusster Glaubensvertreter: Bischof Alex Malasusa (r.) im August 2013 im Dom von Schwerin Foto: dpa

HAMBURG taz | Zehn Jahre, das ist ein Zeitraum, den man schon mal feiert – eine zehn Jahre währende Freundschaft wohl erst recht. Zehn Jahre Partnerschaft begehen dieser Tage Hamburg und das tansanische Daressalam: Wäre diese Städtepartnerschaft eine Ehe, könnten die beiden Hafenorte jetzt die „Rosenhochzeit“ feiern.

Was eine Ehe ist und was keine, wie Liebe aussehen darf und wo die Toleranz dem Zeitgeist gegenüber zu weit geht: Das sind einige der Zutaten, wenn jetzt in Hamburg die Zehn-Jahres-Feierlichkeiten anstehen. Denn unter den Anreisenden ist auch Alex Malasusa, ein prominenter Vertreter der tansanischen Lutheranischen Kirche (ELCT) – und deren Meinung zu eingetragener Lebenspartnerschaft oder Homo-Ehe unterscheidet sich ganz erheblich von denen der Glaubensgeschwister in Westeuropa oder Nordamerika.

Lange bevor sich die Rathäuser der beiden Städte verpartnerten, hatten das nämlich bereits die Kirchen getan: Seit dem Jahr 1971, so die evangelische Nordkirche in einer Pressemitteilung vom Mittwoch, habe man „historisch gewachsene Beziehungen“ zur ELCT. Im Kern ist das eine Umschreibung ist für die Mission unter den Bedingungen des Kolonialismus: Nicht von Norddeutschland aus, aber aus dem Wilhelminischen Berlin kamen jene Lutheraner, die 1887 einen Vorposten in Daressalam errichteten, damals Teil von Deutsch-Ostafrika. Und aus Sicht der ELCT selbst waren jene missionarischen Bestrebungen ihr „Saatkorn“. Mit bis zu 6,5 Millionen Gläubigen – die Angaben schwanken – ist Tansanias Lutheranische Kirche nach der in Äthiopien heute die zweitgrößte weltweit.

Im Januar 2010 formulierten die Bischöfe der Evangelisch-Lutheranischen Kirche Tansania (ELCT) ihre ablehnende Haltung zur Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts. Die „Dodoma-Erklärung“ in Auszügen:

„[Es] muss jeder Vorfall in einer Teilkirche, der anders ist in Standpunkt und Lehre, als es viele Jahrhunderte in der ganzen Kirche Gottes verstanden worden ist, notwendigerweise auf die eine oder andere Weise Bestürzung und Reaktion in den anderen Kirchen überall auf der Welt hervorrufen.“

„Zur Zeit ist einer dieser ungewöhnlichen Vorfälle nach Ansicht und dem Verständnis der ELCT, dass einige Kirchen – besonders in Europa und Nordamerika beschlossen haben, Ehen von Personen einerlei Geschlechts gesetzlich zuzulassen.“

„Hinsichtlich der Behauptungen, die von den Verteidigern der gleichgeschlechtlichen Ehe vorgetragen werden, hat die Evangelisch-Lutherische Kirche Tansania eine andere Einschätzung und Position. Sie lehnt alle Argumente ab, die von den Verteidigern solcher Ehen und ihrer gesetzlichen Zulassung vorgetragen werden.“

„Wir und alle anderen überall in der Welt mit der gleichen Einstellung wie wir in der Frage der Ablehnung gleichgeschlechtlicher Ehen, wir glauben, dass die Bibel nicht übersetzt werden kann, wie es bestimmte Leute wünschen.“

„Diese Kirche glaubt, dass die Liebe das Wesen einer Liebes- und wahren Beziehung zwischen zwei Menschen ist, die miteinander in einer Ehe leben oder leben wollen. Aber hinsichtlich des Heiratens und Geheiratet Werdens, besteht solche Liebe zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts.“

„Die ELCT akzeptiert, dass es wahr ist, dass bestimmte ethische Einstellungen sich ändern können, je nachdem, wo und zu welchen Zeiten Menschen leben. Aber die Gläubigen der ELCT wissen und glauben, dass es Dinge gibt, die sich nicht ändern, wie zum Beispiel dass eine Nase nicht zum Mund wird und ein Ohr nicht zum Auge.“

„[Es] sollten solche ethischen, gesellschaftlichen und sonstigen Veränderungen in Ländern Europas und Nordamerikas nicht Menschen in anderen Ländern oder Kirchen aufgezwungen werden.“

„Wir als Tansanier und Afrikaner haben unsere ethischen Normen, die auf den Grundlagen unser Kulturen offen zutage liegen – sie anerkennen eheliche Beziehungen nur zwischen Menschen unterschiedlichen Geschlechts.“

„Die Evangelisch-Lutherische Kirche Tansania verwirft die falsche und verdrehte Übersetzung der Heiligen Schrift, die benutzt wird, um die Ehe Gleichgeschlechtlicher zu rechtfertigen.“

„Wir die ELCT als Mitglied sagen, dass unsere Kirche nicht bereit ist, in einen Austausch mit Mitarbeitern einzutreten, die sich mit jenen verbünden, die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe leben oder jene, die Anhänger solcher gleichgeschlechtlicher Ehe oder ihrer Zulassung sind – sie werden nicht eingeladen, in der ELCT zu arbeiten. Im Übrigen lehnen wir jeglichen Versuch der Überredung, ihr Geld und ihre Hilfe ab.“

Übersetzung: Pastor em. Ludwig M. Bultmann; Quelle: Kirchliche Sammlung um Bibel und Bekenntnis in der evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland

Was helfen könnte, das Selbstbewusstsein zu erklären, mit dem die ELCT beim konfliktträchtigen Thema Homosexualität auftritt. Nicht nur, dass ihre Bischöfe – ebenfalls vor ziemlich genau zehn Jahren – in einer Erklärung der andernorts wahrgenommenen vermeintlichen Aufweichung von Gottes Wort eine klare Absage erteilten. Malasusa, Bischof der Diözese Daressalam und ehemals Kopf der ELCT insgesamt, erklärte noch Ende 2018, gleichgeschlechtliche Ehen dürften niemals toleriert werden, denn das Böse verstoße gegen die Heilige Schrift. Er sei einmal gebeten worden, zwischen der Eingliederung gleichgeschlechtlicher Ehen in die Kirche oder dem Verlust von Finanzhilfen aus dem Ausland zu wählen, führte er weiter aus – „meine Wahl war klar“.

Malasusa und die Seinen sind dabei durchaus keine Hardliner: Die ELCT stehe „im afrikanischen Kontext nicht allein“, schrieb im Jahr 2013 Pastor Volker Schauer, der acht Jahre lang das „Afrika-Referat“ im Zentrum für Mission und Ökumene der Nordkirche geleitet hat; als er – ebenfalls im Jahr 2013 – in den Ruhestand ging, kam zum Abschied auch – Malasusa.

Etwa ein Jahr, nachdem die ELCT ihre „Dodoma-Erklärung“ verabschiedet hatten, einigten sich tansanische und norddeutsche Lutheraner*innen auf einen „careful dialogue“ zu diesem Thema. Auch die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, deren Teil die Nordkirche ist, formulierte 2014 im Rahmen der Generalsynode in Dresden: „Die tansanische Kirche lebt in einem Land, in dem nach geltendem Gesetz Homosexualität unter Strafe gestellt ist und der Konsens in der Gesellschaft, nicht zuletzt mit der muslimischen Bevölkerung, dazu sehr breit ist. Die tansanische Kirche lebt in einem Land und einer Kultur, in denen es nicht hoch im Kurs steht, sondern schwer ist, aus einem allgemeinen Konsens auszubrechen. Und seien wir ehrlich, wir haben die Überzeugung zur Homosexualität, die sich jetzt bei uns durchgesetzt zu haben scheint, nicht schon immer gehabt – und haben sie auch unter uns nicht schon einheitlich.“

Auf rund 40 Prozent beziffert die Nordkirche den Anteil christlicher Tansaner*innen. Und weil in etwa ebenso viele Menschen im Land muslimischen Glaubens sind, reist nun auch ein prominenter Vertreter des Islam nach Hamburg: Sheik Fadhil Suleiman Soraga, Berater des Ministers für Verfassung und Recht in Islamfragen.

Es ist nicht zu erwarten, dass die Unterschiede in diesen Dingen zur Sprache kommen an diesem Wochenende: Den Auftakt zu den Feierlichkeiten bildet ein Gottesdienst am Sonntag in der Hamburger Hauptkirche St. Petri, der einzigen, die eine eigene Partnergemeinde in Daressalam hat; dabei predigt auch der von dort anreisende Bischof. In der kommenden Woche steht dann unter anderem ein Termin mit Vertreter*innen des Christlich-Islamischen Dialogs auf dem Programm.

Dabei sind am Sonntag – neben Hauptpastor Jens-Martin Kruse und der heutigen Nordkirchen-Afrikareferentin Katharina Davis – auch Jan Pörksen, Staatsrat und Chef der Hamburger Senatskanzlei, sowie die Honorarkonsulin der Vereinigten Republik Tansania in Hamburg, Petra Hammelmann. Für diese Akteur*innen dürfte die Städtepartnerschaft noch mal eigene Herausforderungen bedeuten, nicht so sehr geschwisterlich geprägt als durch die Diplo­matie und den Handel. Und Hamburg führt noch mindestens eine weitere unter queeren Gesichtspunkten problematische Ehe: mit dem russischen St. Petersburg.

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