Deutsch-Ukrainische Begegnungsschule: Unterricht in der Muttersprache
In Kreuzberg ist eine Deutsch-Ukrainische Begegnungsschule eingerichtet. Das bundesweit erste Projekt dieser Art ist bilingual.
Beeindruckt nahm man in Deutschland wahr, dass viele ukrainische Schulen nach Kriegsbeginn den Betrieb durch Onlineunterricht aufrechterhielten. Die Schüler*innen – nach ihrer Flucht verstreut in ganz Europa – versammelten sich weiter in digitalen Klassenräumen. Wo es ging, nahmen sie auch in Deutschland parallel zum Präsenzunterricht an der Onlineschule teil.
Im Kopf dabei war immer die große Unsicherheit, wie sich die Lage weiter entwickeln würde, der Wunsch, bald in die Heimat zurückzukehren, die traumatischen Fluchterfahrungen. Auf diesen Schwebezustand der Schüler*innen zwischen Ankommen und Zurückkehren reagiert die Deutsch-Ukrainische Begegnungsschule in Berlin.
Das bundesweit erste Projekt dieser Art ist bilingual: Ukrainische Kinder und Jugendliche lernen verstärkt Deutsch und bekommen auch Fachunterricht in deutscher Sprache. Deutschunterricht wird in der Ukraine in der Regel ab der fünften Jahrgangsstufe angeboten, deshalb bringen die Schüler*innen einige Kenntnisse mit. Ergänzend dazu werden sie aber weiterhin von ukrainischen Lehrkräften in den Fächern „Ukrainische Sprache/Literatur“ und „Ukrainische Geschichte/Recht“ unterrichtet.
Mögliche Rückkehr im Blick
Was hier angestrebt wird, klingt recht ambitioniert – Deutsch lernen, sich ins deutsche Schulsystem einfinden und gleichzeitig in der Ukraine den Anschluss nicht verlieren – die mögliche Rückkehr im Blick. Entsprechend voller sind dann auch die Stundenpläne für diese Schüler*innen.
Dass besonders die Älteren ihren Schulabschluss in der Ukraine jetzt nicht aufgeben wollen, ist nachvollziehbar. An der Begegnungsschule in Berlin können sie sich auf die Abschlussprüfungen in der 9. und 11. Klasse vorbereiten und diese dann – unter der Aufsicht des ukrainischen Bildungsministeriums – auch schreiben, so der Plan.
Das ist gut, aber angesichts der Situation der ukrainischen Jugendlichen nicht das einzig Wichtige. Schließlich ist Schule nicht nur die Vorbereitung auf Abschlüsse. Schule ist auch der Ort, wo die jungen Menschen jetzt einen Großteil ihrer Zeit verbringen. Und Schule könnte und sollte der Ort sein, wo sie sich gut begleitet in ihre neue Lebensrealität eingewöhnen und sich orientieren.
Deshalb arbeiten in der Begegnungsschule Lehrer:innen, die muttersprachlich Ukrainisch sprechen und oft die gleichen Fluchterfahrungen mitbringen. Ein gutes Vorbild ist die Schule also auch, weil sie die Bedürfnisse der Schüler*innen in den Blick nimmt: verstanden zu werden, nach etwas Kontinuität und Zugehörigkeit. Und damit auch die grundsätzliche Frage aufwirft, woran sich Integrationspolitik in Bildungsfragen orientieren sollte.
Die Aziz-Nesin-Schule in Kreuzberg hat die Kapazitäten, dieses Pilotprojekt unter ihrem Dach zu beherbergen: Sie gehört zu den wenigen Berliner Schulen, die noch über freie Räume verfügen. Und sie ist mit interkultureller Begegnung vertraut – die Schule ist eine Europaschule, alle Klassen werden je zur Hälfte von Kindern mit deutscher und Kindern mit türkischer Muttersprache besucht.
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