Design-Week Helsinki: Blumenvasen aus dem Drucker
Auf der Design-Week in Helsinki wird neben dem klassischem, nordischen Style wird auch Befremdliches vorgestellt.
HELSINKI taz | Sauna, Dunkelheit, Nokia, Melancholie, Rentiere. Stellt man in Deutschland die Frage, was typisch finnisch ist, dann wird meistens mit diesen Schlagwörtern geantwortet. Zwar treffen diese auch alle zu, doch der nordeuropäische Staat ist viel mehr als das Land des langen Winters und der Minustemperaturen: Finnland ist vor allem Entstehungsort für weltweit erfolgreiches Design für Möbel, Textilien und Gebrauchsgegenstände.
„Wir Finnen haben Design in unseren Genen“, sagt Anne Veinola vom Design-Forum Finnland. Wer durch Helsinki spaziert, der glaubt ihr sofort. Erst kürzlich wurde eine öffentliche Sportanlage in einem Park von Designern gestaltet. Im „Senior-Park“ stehen jetzt schicke Trainingsgeräte aus hellem Holz und roten Stahl, demnächst sollen sogar die Ausstattungen der Straßenbahnen von Designern erdacht werden.
In ganz gewöhnlichen Bars werden Getränke in Gläsern von iittala serviert - dem nationalen Geschirrhersteller, dessen Produkte in Deutschland nicht selten mehrere hunderte Euro kosten. In unspektakulären Restaurants sitzt man auf Stühlen von Eero Aarnio, die man sonst nur aus Filmen kennt. Vasen des Architekten Alvar Aalto stehen in Restaurants herum wie bei uns die Speisekarten.
Das älteste Designmuseum der Welt wurde hier 1875 gegründet, ganze 25 Prozent der Jobs finden sich in der kreativen Industrie in mehr als 800 Betrieben – Helsinki war zurecht das „World Design Capital 2012“.
Bis Samstag werden auf der neunten „Helsinki Design Week“ die neuesten Trends bekannter und unbekannter Designer in über 120 Ausstellungen, einer Möbelmesse und auf Modenschauen gezeigt. Die wohl interessanteste Präsentation befindet sich in der Innenstadt im Rautatalo. Dieses Gebäude 1955 von Alvar Aalto gestaltetet, ist schon alleine wegen seiner umwerfenden Architektur und Einrichtung ein Muss und während der Design-Woche Treffpunkt für Möbel-, Textil- und Objektdesigner.
Zeitlos und minimalistisch
Eine von ihnen ist Tuulia Pentttilä. Die Produktdesignerin hat zusammenbaubare Holzboxen für Kinder entworfen, deren Einrichtung mit kleinsten Holzblöcken selbst gestaltet werden können. Einen ähnlichen Zeitvertreib gibt es auch als Computerspiel, „aber ich wollte weg vom Rechner, will die Kinder zum Handwerken animieren“, sagt Tuulia Pentttilä. Das Spielzeug „My room“ soll ab Dezember erhältlich sein, über den Preis möchte die Designerin nichts sagen. Es dürfte allerdings etwas mehr kosten als ein Barbie-Plastikhäuschen.
Das nordische Design genießt internationale Anerkennung, weil es als zeitlos und minimalistisch gilt und eine alltagstaugliche Eleganz besitzt. Vor allem finnisches Design ist berühmt für seine Klarheit und Funktionalität, Möbel und Gebrauchsgegenstände sind meistens aus Naturmaterialen wie Holz, Mode aus Filz. Wer etwas Protziges oder Blinkendes sucht, der sollte nicht nach Finnland.
Der Stil entstand in der Nachkriegszeit, als es im Land an allem fehlte und der gesellschaftliche Wiederaufbau vor allem funktionalen Trends folgen musste. Als Gottvater des Funktionalismus gilt in Finnland Alvar Aalto (1898 bis 1976). Dessen Vasen stehen während der Design-Week auch im umgestalteten, alten Zollhaus auf ordinären Ikea-Tischen. Neben den allgegenwärtigen schwedischen Möbelgiganten ist hier aber auch Kurioses zu sehen: Dekoartikel, produziert mit 3-D-Druckern. Die kleinen, schwarzen Vasen und Stifthalter schauen wegen des glänzenden Kunststoffes gewöhnungsbedürftig aus und wirkt auch nicht sehr stabil. Die bunte Lampen aus alten Plastikflaschen sind zwar schön hergerichtet, sind aber in jedem Ethnoladen in Deutschland erhältlich und schon längst aus der Mode.
Auch die Tanzflächen, die immer stärker leuchten, je mehr Menschen sich auf dieser bewegen, ist schon alt. Wer es übrigens nächstes Jahr zu der „Design-Week“ schaffen sollte, der kann auch auf anderem Wege das finnische Design erkunden. Rund um die Uudenmaankatu hat sich eine private Initiative zum Design District zusammengeschlossen. Boutiquen, Recyclingkunst-Stores, Ateliers und Kunsthandwerker geben sich mit weißer Schrift im schwarzen Punkt im Fenster zu erkennen. Es werden auch geführte Touren angeboten. Und so teuer, wie die Designstücke immer aussehen, sind sie meistens nicht. Natürlich gibt es nichts auf einem Poco-Domäne-Preisniveau.
Dieser Text entstand im Rahmen einer Pressereise mit der Unterstützung des finnischen Außenministeriums.
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