Szene der 3D-Drucker: Wurst auf Wurst zum eigenen Objekt

Für 1.900 Euro ist ein 3D-Drucker im Elektromarkt zu haben. Ist die Technik jetzt massentauglich? Ein Besuch in einem 3D-Druck-Shop in Berlin.

Wer benutzt dieses Gerät? Bild: Julia Neumann

BERLIN taz | Ikaros Kappler druckt sich eine Dildo-Gussform. Er steckt die Speicherkarte mit der Vorlagendatei in den Slot des 3D-Druckers, stellt die Temperatur ein. 220 Grad. Zu heiß? „Das Objekt kann verbrennen, ich drehe es lieber auf 207.“ Ein Spritzkopf bewegt sich, zieht eine grüne Kunststoffschnur ein und spuckt flüssigen Kunststoff aus. Wie ein Bäcker die Sahnehaube mit dem Spritzbeutel zieht der Druckerkopf dünne Fäden zu einer Fläche zusammen.

Anderthalb Stunden wird Kappler warten, bis seine Form fertig ist. Weil ein Dildo aus Hartkunststoff nicht gut ankommt, druckt er eine hohle Form. Das Silikon zum Einfüllen hat er schon.

Warum sitzt ein 32-jähriger Web-Programmierer 80 Stunden an so einem Projekt? Für Kappler ist das „eine schöne Spielerei“, die Form perfekt, um den 3D Druck und die Erstellung von Druckdateien zu lernen. „Eine einfache Form, in allen Ausmaßen noch druckbar.“

Kappler experimentiert mit einer Technik, die der US-Journalist Chris Anderson in seinem Buch „makers“ als die „dritte industrielle Revolution“ sieht. Eine „neue Heimindustrie“. Du willst es? Du druckst es. Der Konsument wird zum Produzenten. In einer Zukunftsstudie der Deutschen Post (pdf) sehen Wissenschaftler den Produktionsprozess dadurch „dramatisch verändert“. Die Prognose: „2030 hat jeder 3. Haushalt einen 3D-Drucker. Eine Entwicklung, die sich mit der Verbreitung der Waschmaschine um die Jahrtausendwende vergleichen lässt.“

Das Prinzip hinter dem 3D-Druck ist immer gleich: Schicht für Schicht legt die Maschine einen Stoff aufeinander. Beim selektiven Lasersintern (SLS) wird ein pulvriger Metallstoff verarbeitet, indem er von einem Laser geschmolzen wird. Der Nachteil: Die Drucker sind groß, brauchen zum Drucken teilweise Tage, benötigen Starkstrom. Ein anderes Verfahren ist die Stereolithografie, hier wird das Modell schichtweise aus flüssigem Kunstharz aufgebaut und mit einem Laser Schicht für Schicht ausgehärtet. Das Harz muss aber nochmals ausgehärtet werden, mit UV-Licht. Dafür braucht es einen eigenen UV-Licht-Schrank.

Eine bewegliche Heißklebepistole

Nur ein Verfahren ist derzeit für den Heimgebrauch geeignet: FDM, Fused Deposition Modeling, die Schmelzschichtung. Schnüre aus Kunststoff werden dabei erwärmt und aufeinander geschichtet – ähnlich einer beweglichen Heißklebepistole.

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Solche 3D-Drucker verkaufen Jan Northoff und Fabian Kluge. Ihr kleiner 3D-Druck-Shop in Berlin ist leicht zu übersehen: In einem schmalen Schaufenster steht ein Gerät, zusammengebaut aus Metallstäben, Plastikverbindungen und Kabeln, angeleuchtet mit blinkenden Lasern und wechselnden Lichtfarben. Ihr erster 3D-Drucker. 2010 haben die Ladenbesitzer sich ein Kit gekauft und den Drucker zusammengebaut. „Da ging es los, dass man die sich leisten konnte“, sagt Fabian Kluge.

„Eine kleine Revolution ist, dass die Patente für das FDM Verfahren ausgelaufen sind. Dadurch ist das Verfahren erschwinglich“, sagt Northoff. Gebraucht bekomme man einen 3D-Drucker bei ihnen ab 650 Euro, ein neuer koste 1.000 Euro. Der Nachteil: Die Oberfläche ist rau, das Gerät verarbeitet nur Plastik und Kunststoff – „und Schokolade, aber das ist eine Riesensauerei“, sagt Fabian Kluge.

Fabian Kluge ist gelernter Offset-Drucker und studierter Ingenieur. Jan Northoff ist System- und Produkdesigner. Er kannte sich mit den Verfahrenstechniken aus – „und als man sich für ein paar Tausend Euro so einen Drucker zulegen konnte, war das die Erfüllung eines Traums“. In ihrem Laden verkaufen sie Zubehör, selbstgedruckte Teile für neue 3D-Drucker, zeigen die Technologie auf Messen.

3D-Drucker für eine 14-Jährige

Ein Ausschnitt aus ihrer Woche: Bei der 2D-Drucker-Innung haben sie die Technik vorgestellt, eine Einführung gegeben. Das spanische Filmfestival hat eine Anfrage geschickt, man wolle Pokale ausdrucken und dann anmalen. 500 Euro für 50 Zentimeter waren aber zu teuer. Angefragt wurde ein Kameragehäuse, ein individuelles Verkleidungsteil für das Mottorad eines Informationstechnikers; ein Künstler wollte die Skulptur eines Virus ausdrucken – metergroß.

Und schließlich: „Wir haben tatsächlich einen verkauft“, Northoff freut sich. Der Käufer: Ein Architekt. Der Drucker ist ein Geschenk für seine 14-Jährige Tochter. „Die kann die Software schon bedienen und bastelt damit gerne Sachen. Der Architekt findet das toll, er hat Legosteine gedruckt und jetzt ist das der nächste Schritt.“ Für 850 Euro hat er den 3D-Drucker mit nach Hause genommen. Hier in dem kleinen Laden in Berlin-Mitte gibt es keinen Ansturm auf einen eigenen 3D-Drucker.

Fabian Kluge und Jan Northoff. Bild: Julia Neumann

Auf einen Knopf drucken und warten, so leicht sei es nicht, sagt Kluge. „Man braucht viel Geduld und eine hohe Frustrationsgrenze. Es reicht schon, wenn jemand die Tür aufmacht wenn du druckst. Sofort gibt es eine Temperaturschwankung, die untere Schicht kühlt schneller ab, es gibt Spannungsrisse, die obere Schicht hält nicht auf der unteren.“

3D-Modelle hätten oft Fehler, die Anfänger nicht erkennen. Die fertige Datei müsse umgewandelt werden, damit der Drucker sie lesen kann. „Das ist nicht so einfach wie eine Word-Datei in PDF umzuwandeln. Das sind hunderte von Reitern.“ Weil es noch viele Fragen gibt, veranstalten die Ladenbesitzer jeden Mittwoch ein Treffen: Das 3D-Drucker-Treffen.

Wie Töpfern: Wurst auf Wurst

„Es ist noch ein schwieriger Markt“, sagt Frank Wittig, 34-jähriger Systemingenieur. Er kommt oft zu den Treffen, einen eigenen Drucker würde er sich nicht kaufen. 3D-Druck vergleicht er mit Töpfern: „Würste werden geknetet und aufeinandergelegt. Daraus entsteht eine Vase.“

Er setzt sich an den Laptop, öffnet das Programm Sketch-up, zieht mit zwei Klicks einen Quader hoch, mit zwei weiteren Klicks eine Linie, die den Quader teilt. Dann schiebt er die eine Hälfte nach vorne, die andere nach hinten. Das Programm kann er bedienen, einfach sei das, ein bisschen wie Bildbearbeitung. „Aber mir fehlt die Fantasie, etwas zu basteln und derzeit ist es noch zu teuer für die Dinge, die ich machen will.“ Einen Quadcopter möchte er gerne bauen, eine Art fliegende Minidrohne sei das, die Arme dafür könne er drucken. „Ich könnte aber auch in den Baumarkt gehen, Spanholz kaufen und das aussägen, das ist günstiger.“

Während Wittig noch redet, kommt eine Frau in den Laden, Ola Lewin. Sie ist Multimedia-Künstlerin, möchte für den Verein „creative experts“ das Maskottchen eingescannt haben und drucken lassen. Sie interessiert die technologische Entwicklung, denkt über Gefahren und Möglichkeiten nach, wie der 3D Druck die Gesellschaft verändert. „Wir können aus alten Flaschen selber ein Glas machen, eigene Designer sein, Ressourcen sparen. Aber es verändert unsere Werte für Gegenstände. Ich brauche das, also mache ich es – das kann zu Habgierigkeit führen.“

Heimproduktion erreicht keine Industriequalität

Eine Revolution, eine Veränderung der Gesellschaft? Von der Euphorie hält Ben Jastram nichts. Er ist stellvertretender Leiter des 3D-Labors an der TU Berlin, seit 2005 wird hier 3D gedruckt. Studenten kommen, lassen Prototypen bauen. Ein Modell einer Windkraftanlage für den Maschinenbauer, der Prototyp eines U-Boots für den Schiffsbau, Skulpturen für den Kunst-Studenten. Industriedesigner, Architekten, Künstler.

„Jedes Institut druckt hier, mit Ausnahme einiger Geisteswissenschaften.“ Der Architekt zum Beispiel, der ein Arbeitsmodell braucht, um zu sehen, wie das geplante Hochaus im Stadtbild wirke. Oder der Künstler, dessen Skulptur aus Ton oder Knete nicht hält und der wissen möchte, wie das Zusammenspiel der Sonne mit seiner Form ist.

Trotz der vielen Medienberichte habe das Labor keinen Zuwachs an Aufträgen. Ein 3D-Drucker im deutschen Haushalt? „Das ist sehr unwahrscheinlich.“ Auf dem Markt seien die billigsten Maschinen mit schlechtem Ergebnis. „FDM ist die schlechteste Technologie von allen.“ Das finge bei der Oberfläche an. „Ein Telefonhörer hat ist glatt. Beim 3D Druck zuhause wird die Oberfläche aber immer rau sein. Da bräuchte man schon eine eigene Lackierbude, um das nachzubearbeiten.“

Eine Tasse müsse dicht sein, ein Zahnrad auf tausendstel Millimeter gerechnet, damit es in den Tacho passt. Der Kunststoff für das Kameragehäuse verhalte sich anders als der, mit dem der 3D-Drucker zuhause arbeitet. „Ich vertraue darauf, dass mein Auto bei 200 km/h auf der Straße bleibt.“ Hinter einem Produkt stecke eine Reihe an Spezialisten mit Fachwissen, deren Aufgaben ein Laie zu Hause nicht übernehmen könne. Dass sich bessere Verfahren in Zukunft für den Heimgebrauch eignen, bezweifelt Jastram. „Die Maschine kann nicht so günstig sein, dass sie Industriequalität liefert.“

Sein Fazit: Für ein Designobjekt, das einfach nur gut aussehen soll, sei der günstige Drucker gut.

Wittig sieht das anders. Jede Technologie mache die gleichen Phasen durch. Anfangs sei es ein zwei Meter großes rosa Kaninchen, das jemand aus dem Hut zieht. „Dann wird es zur Kulturtechnologie, niemand hinterfragt es.“ Dass die Technologie des 3D-Drucks vorher abstirbt, glaubt er nicht. „Ich denke es wird so, wie sich jeder einen bunten Tintenstrahldrucker hinstellt.“

Frank Wittig. Bild: julia neumann

Die 3D-Drucktechnik ist für Wittig interessant, weil er sie im Anfangsstadium sieht. „Es ist gerade cool, weil es noch nicht Mainstream ist, eine abgefahrene Technologie, bei der eben noch nicht alle Probleme beseitigt sind. Sobald ein Problem gelöst ist, wird es uninteressant. Ich stehe ja auch nicht vor meinem Herd und denke: Wow, das wird warm.“

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