piwik no script img

Der sonntaz-StreitBraucht es fürs Spenden einen Kick?

Kommentar von Elisabeth Bauer

Spendenkampagnen müssen immer kreativer werden, um erfolgreich zu sein. Aktuell lässt Eiswasser das Geld fließen.

Auch Mark Zuckerberg duscht – für die Medienpräsenz? Bild: dpa

E in Eimer Wasser wird schwungvoll über dem Kopf einer jungen Frau geschüttet. Sie schreit auf, lacht in die Kamera – die Haare, das Gesicht triefend nass. Videos von Menschen, die sich einer eiskalten Wasserdusche aussetzen, gibt es in letzter Zeit auf Facebook und Twitter en masse. Grund dafür: die Ice Bucket Challenge – eine Medienkampagne, die die Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) bekannt machen und Spendengelder für weitere Forschungswege sammeln will.

Die Spielregel ist einfach: Wurde jemand einmal im Internet öffentlich nominiert, hat er die Wahl zwischen Wasserguss oder Spende. Seit einigen Wochen ist diese Art, Aufmerksamkeit auf die Erkrankung der Nervenzellen zu lenken auch in Deutschland angekommen. Sei es SPD-Politiker Sigmar Gabriel, Moderator Günther Jauch oder Schlager-Star Helene Fischer – die Namen der Ice-Bucket-Challenger könnten Seiten füllen.

Wassereimer oder Spende

Das trendfähige Medienevent kommt aus den USA. Im Juli nominierte der Baseballspieler Peter Frates, der selber an ALS erkrankt und mittlerweile vollständig gelähmt ist, bekannte US-Sportler für die Challenge. Seit dem Beginn der Spendenaktion nahm die ALS-Association 79,7 Millionen US-Dollar ein – im Gegensatz zu 2,5 Millionen im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

„Man kann von der Ice Bucket Challenge lernen – nämlich, dass Spenden nicht nur über Mitleid oder negative Botschaften funktionieren“, sagt der Leiter des Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), Burkhard Wilke, gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Die Ice-Bucket-Challenge-Videos erfüllen alle Anforderungen einer Selbstinszeniereung. Mit Spannung erwartet die Internetgemeinschaft die Reaktion der Nominierten, die die dokumentierte Eiswasserdusche als Imageputsch nutzen und ihre Fans so befriedigen können. Nehmen sie die Herausforderung an? Entscheiden sie sich für Wassereimer oder Spende – oder für beides?

2013 wurde in Rekordhöhe gespendet

Laut Angaben des Deutschen Spendenrats waren die Medien im vergangenen Jahr das wichtigste Mittel, um Spenden zu gewinnen. Mit insgesamt 4,7 Milliarden Euro wurde ein Rekordniveau erreicht – 13 Prozent mehr als 2012. Besonders die Flut in Deutschland und der Taifun Haiyan auf den Philippinen bewegte private Geldgeber dazu, helfen zu wollen.

Angesichts der humanitären Katastrophen im Irak, im Gaza-Streifen und in Syrien werden auch aktuell möglichst schnell große Mengen an Spendendeldern benötigt. Die Organisationen sind abhängig von Großherzigkeit – zum richtigen Zeitpunkt.

Die Begeisterung für die Ice Bucket Challenge ließ die Klickzahlen des Wikipedia-Eintrags von ALS zwar in die Höhe schnellen – aber trotzdem scheint die Aufmerksamkeit hauptsächlich den Videobeweisen zu gelten. Spendenaufrufe ohne eine solche Medienpräsenz scheinen hinter dem aktuellen Trubel um die Videobeweise zu verschwinden.

Was regt Sie an, für eine gemeinnützige Organisation zu spenden? Die großangelegte Medienkampagne, die kleine Sammelaktion der Stadt oder der musizierende Bettler in der Fußgängerzone? Sind es die Bilder von Frauen in Krisengebieten oder von weinenden Kindern? Und: Stellt die öffentliche Selbstinszenierung, die aus der Spende gezogen werden kann, eine Motivation für Sie dar?

Wir fragen Sie: Braucht es fürs Spenden einen Kick?

Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der taz.am wochenende vom 30./31. August 2014. Ihr Statement sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns eine Mail an: streit@taz.de

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Angesichts der geringen gesellschaftlichen Bewertung der zur Hilfe von kranken Menschen verpflichteten Berufe finde ich die Aufmerksamkeit, die eine solche Aktion auf sich zieht, erschreckend. Anstatt sich ehrenamtlich im lokalen Pflegeheim zu engagieren, kippe ich mir einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf. Im Grundkonzept dieser "Herausforderung" bin ich ja dann auch von der Spendenobligation befreit. Ob den Erkrankten tatsächlich geholfen wird, ist ja Schnitte. Hauptsache ich habe möglichst öffentlichkeitswirksam meine Anteilnahme gezeigt. Sozusagen Spenden 2.0, nur ohne Geld zu bezahlen. Musste man früher noch mühsam einen Überweisungsträger zur Bank bringen und ein tatsächliches Vermögensopfer bringen, genügt es mittlerweile, sich zum Gespött zu machen. Natürlich dient es, hoffentlich, im Ergebnis einem guten Zweck, aber ob den Kranken durch die Verknüpfung ihrer Krankheit mit dem öffentlichen Bloßstellen durch Wasserprüfung geholfen ist? Und sollten nur Institutionen, die diese spezielle Krankheit als Gegenstand ihrer Arbeit haben, von dem Geld profitieren? Was ist mit einem Krankenhaus, dass gerade keine ALS-Fälle behandelt? Ich persönlich mag es angesichts der Vielzahl von ganz fiesen Krankheiten nicht, wenn man versucht, dass Augenmerk auf eine spezielle Ercheinungsform zu lenken. Was macht die Krankheit ALS so viel schlimmer als etwa HIV, Ebola oder Pangreaskarzinomen? Eventuell sollte man das Dilemma durch die finazielle Anerkennung der Arbeit der Menschen, die unabhängig von der Art der Erkrankung jeden Tag einen Teil ihrer selbst opfern, um Leiden zu mildern, besser anerkennen. Aber bevor ich in dieser Frage noch zu tiefsinnig werde, gehe ich mir erst einmal einen Eimer Eiswasser über die überhitze Birne kippen.

  • Bezüglich IBC:

    Überzeugungen und Standpunkte sind heutzutage nicht mehr wichtig. Sinne schärfen, Mitleid zeigen und im Kollektiv Gutes tun reicht schon lange nicht mehr aus. Erst wenn Millionen Gleiches tun, so sinnlos es auch sein mag, kreiert man einen richtigen Hype. Und nur durch diesen Hype kann etwas zum Event werden. Das ist unbedingt nötig, denn erst als Event ist manches überhaupt erst existent. Und der löbliche Ursprungsgedanke, bzw. die Kranken die unserer Fürsorge bedürftig wären, bleiben dabei trotzdem auf der Strecke. Ich will es mal etwas einfacher ausdrücken: Explosiv, Taff, Brisant und die Bild Zeitung berichten einfach nicht über eine Krankheit die so wenige betrifft. Erst durch den Eimer Wasser wird die Krankheit interessant. Und wenn wir sie erst dadurch überhaupt wahrnehmen, sagt das auch viel über uns aus! Wir beruhigen unser Gewissen mit einem Eimer Wasser, dabei ist das, um im Sprachgebrauch zu bleiben, nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Tut also nicht so als ob ihr die Welt verändert hättet. Sie bleibt nämlich genauso beschissen wie zuvor.

  • Zeitgeistlosigkeit ...

     

    Wenn ich Lust auf besoffene Kneipenspiele habe, gehe ich in eine Kneipe und saufe erstmal. Wenn ich meine, für irgendwas spenden zu müssen, gehe ich zur Bank und fülle einen Überweisungsträger aus.

     

    Filmchen davon finde ich in beiden Fällen peinlich.

    Aber egal, es funktioniert - offenbar. Auch schön: Geld kommt rein.