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Der blanke HansAls das Meer zum Salz kam

Zwei Sturmfluten gestalteten die Nordseeküste neu und schufen das Wattenmeer. Das "friesische Atlantis" Rungholt versank im Schlick. Mit Raubbau am Salz hatten sich die Einwohner selbst ihr nasses Grab gegraben. Jetzt bedroht der steigende Meeresspiegel die Küste.

Mehrmals im Jahr Land unter: Nur noch die Warften mit den Wohnhäusern ragen aus der Nordsee, hier im Februar 2009 Hallig Hooge. Bild: dpa

Ein laues Lüftchen war Sören gewiss nicht. Das war schon ein strammer Sturm am vorigen Wochenende. Zum ersten Mal in der somit offiziell eröffneten diesjährigen Orkansaison an Norddeutschlands Küsten meldeten die nordfriesischen Halligen Land unter. Und auch auf dem Hamburger Fischmarkt schwappte das Hochwasser der Elbe ein bisschen über die Kaikante. Knapp vier Meter über Normalnull, knapp zwei Meter über dem mittleren Hochwasser - da gibt es nasse Füße, aber ein Grund zur Sorge ist das nicht.

Am 11. Oktober 1634 war das anders. An jenem Tag, der sich an diesem Sonntag zum 375. Mal jährt, brach die Burchardiflut über die Deutsche Bucht herein. Das Hochwasser war gar nicht so riesig, da gab es zuvor und danach schlimmere Sturmfluten. Mit etwa 15.000 Toten an der Nordseeküste von Dänemark bis zu den Niederlanden, zwei Drittel davon in Nordfriesland, zählt dieser Sturm nicht einmal zu den verheerendsten. Vor allem Ostfriesland sowie die niederländische Küste hatten bis dahin schon ganz andere Opferzahlen vermelden müssen, deren Höhe an den Tsunami im Indischen Ozean vor fünf Jahren erinnern: 60.000 Tote im Jahre 1212 und 100.000 Opfer 1228, weitere 50.000 im Jahr 1287, wieder 100.000 in 1421 und erneut in 1530 lauten die Schätzungen.

Die Folgen der Sturmflut von 1634 und der vorhergehenden Marcellusflut von 1362 aber dauern bis heute an, und deshalb beschäftigen sich bis Ende Oktober die Sturmfluttage in Nordfriesland in Dutzenden von Veranstaltungen mit diesen Naturkatastrophen. Die beiden "Groten Mandränken" (große Manntränken), wie sie genannt werden, gestalteten den Küstenverlauf nördlich der Elbe auf Hunderten von Kilometern neu (siehe Karten). Sie schufen das Wattenmeer, das die Unesco jüngst in den Rang eines Weltnaturerbes erhob - eine weltweit einzigartige Naturschönheit auf den nassen Gräbern ertrunkener Menschen und Tiere.

Bis dahin war die schleswig-holsteinische Westküste ein Labyrinth an Inseln, Prielen und moorigen Marschen gewesen. Die Inseln Sylt, Föhr und Amrum gibt es in wiedererkennbarer Form erst seit Mitte des 14. Jahrhunderts, ebenfalls die meisten Halligen und die Halbinsel Eiderstedt. Vor 375 Jahren aber wird auch die große Insel Nortstrand (oder Alt-Nordstrand) in Einzelteile zerlegt: Nordstrand, Pellworm, Südfall und Nordstrandischmoor sind die Überbleibsel.

Zu diesem Zeitpunkt war die Handelsmetropole Rungholt schon lange Jahre im Schlick begraben. "Hunderttausende" werden bei der ersten Mandränke 1362 nicht ertrunken sein, wie der Lyriker Detlev von Liliencron 1883 in seinem Gedicht "Trutz, blanke Hans" fabuliert. Vielleicht 8.000 mögen in der ganzen Region umgekommen sein, als die nur etwa zwei Meter hohen Deiche brachen und die Nordsee den kleinen Fluss Norderhever, an dem das Kirchspiel Rungholt lag, zum reißenden Priel umgestaltete.

Dass es Rungholt gab, ist belegt. Unter anderem mit einer Urkunde, die Hamburger Kaufleuten Handelsfreiheit zusicherte. Sie wurde am 19. Juli 1361 unterzeichnet und mit einem Siegel versehen. Sechs Monate später war sie nutzlos. Der Hafenort zwischen den heutigen Inseln Pellworm und Nordstrand und nördlich der Hallig Südfall verschwand in Schlick und Matsch.

Die Versionen allerdings über den Verlauf der drei lange Tage andauernden Sturmflut vom 15. bis 17. Januar 1362 sind so zahlreich wie die Legenden über Rungholt, das manche im Nachhinein zur friesischen Metropole oder gar zum Atlantis des Nordens verklärten.

Sagenhaft reich soll Rungholt demnach gewesen sein, eines der prächtigsten Handelszentren seiner Zeit mit Verbindungen bis ins Mittelmeer. Seine neureichen Bürger sollen sich jedoch eines Lebenswandels befleißigt haben, welcher der Kirche und dem Herrn kein Wohlgefallen war. Und so erklärt eine Version, die von kirchlicher Seite aus nahe liegenden Gründen gern und häufig bemüht wurde, Rungholt zu einem friesischen Sodom und die Sturmflut zur gerechten Strafe für gotteslästerliches Treiben.

Die Wirklichkeit war, nach allen vorliegenden Quellen, weitaus prosaischer, die Gier nach Geld trug einen großen Teil zum Untergang bei. Rungholt war ein zugiges Kaff von kaum mehr als 1.000 Einwohnern mit Reetdachhäusern, einer Kirche und einem geschützten Hafen nahe des großen Priels Heverstrom. Seine Bewohner gruben sich ihr nasses Grab selbst - und wer möchte, mag da einen Zusammenhang mit aktuellen Diskussionen über Klimaschutz und steigende Meeresspiegel sehen.

Rungholt lag auf einer Torflinse und buddelte sich selbst den Boden unter den Füßen weg. Großflächig und immer weiter in Richtung Meer wurde das salzhaltige Torf in Kögen abgebaut, die nur von leichten Sommerdeichen geschützt wurden. War das Vorkommen ausgebeutet, blieben die Flächen, die nun unter Normalnull lagen, sich selbst überlassen. Das Meer drang ein, es blieb, und es kam immer näher. Rungholter Salz war begehrt, bis nach Schweden und Flandern wurde es gehandelt, und es machte die Kaufleute wohlhabend - und unvorsichtig. Am Marcellustag 1362 kam für den Hafenort und mehrere benachbarte Kirchspiele das Ende. Gewinner war das Örtchen Husum, das plötzlich direkt am Meer lag und zur Fischer- und Hafenstadt aufstieg.

Ob und was nachfolgende Generationen daraus gelernt haben ist durchaus umstritten. In der Figur des Schimmel reitenden Deichgrafen Hauke Haien, der mit dem Bau neuartiger Deiche am Geiz und Starrsinn der Großbauern scheitert und mit ihnen untergeht, warf schon der Husumer Dichter Theodor Storm 1888 diese Frage auf.

Die jüngsten Szenarien der Meteorologen gehen von einem Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 140 Zentimeter bis zum Ende dieses Jahrhunderts aus. Schleswig-Holstein hat deshalb bereits seine Philosophie des Deichbaus geändert. Deiche werden nicht mehr nur erhöht, die Krone wird gleichzeitig deutlich verbreitert und abgeflacht. Das soll weitere Erhöhungen mit wenig Aufwand und geringeren Kosten ermöglichen.

Nach der Sturmflut vom 16. / 17. Februar 1962, bei der in Hamburg 340 Menschen starben, waren an den Unterläufen der Flüsse und an der Küste die Deiche massiv erhöht worden. Nur deshalb richtete die Sturmflut vom 3. / 4. Januar 1976 keine nennenswerten Schäden an. Dennoch war sie mit 6,45 Metern über Normalnull das höchste und schwerste Hochwasser aller Zeiten an der Nordsee - ungefähr vier Meter höher als die beiden "Groten Mandränken".

Denn wer nicht will weichen, dieses Motto kennen alle an der Küste, der muss deichen.

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3 Kommentare

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  • N
    Nautilus

    Hier wird der mittleren Meeresspiegelanstieg mit kurzzeitige Zufallsereignissen, also sehr seltenen Extremwerten, (Sturmfluten), in Zusammenhang gebracht.

    Das eine hat mit dem anderen aber nur sehr bedingt etwas zu tun.

    Die letzten großen Sturmfluten waren wie richtig aufgeführt in den 60 und 70 Jahren des letzten Jahrhunderts, also in einer Zeit, die relativ kühl war. Globale Erwärmung = Meeresspiegelanstieg = Überschwemmung stimmt also hier schon mal nicht.

    Außerdem werden, wie leider fast immer, Modell Szenerien mit belastbaren Vorhersagen verwechselt.

    Warum wird nicht mal auf die wirklichen Messdaten eingegangen?

    Ganz einfach, weil sie ein anderes, ziemlich unspektakuläres Bild zeigen: Der mittlere globale Meeresspiegelanstieg liegt als Mittelwert über die letzten 17 Jahre bei ca. 3,2 mm pro Jahr, also 32 cm in 100 Jahren und nicht 140 cm. Von 2006 bis heute ist überhaupt kein Anstieg mehr festzustellen (Kann natürlich Zufall sein!), so das sich für die letzten 10 Jahre nur 2,5 cm ergeben. Jeder kann dies leicht selbst überprüfen. (http://sealevel.colorado.edu/current/sl_noib_global.jpg) (Satelliten Messung)

    Von einer (positiven) Beschleunigung des Meeresspiegel Anstiegs kann also keine Rede sein. Wenn Beschleunigung, dann negativ, also ein Abbremsen!

    Die Deiche werden auch nicht erhöht, sondern es ist geplant, die Deiche zu verbreitern. Erst später kann man dann, wenn es überhaupt notwendig sein sollte, die Deiche erhöhen.

    Ich brauche nicht zu fragen, wo das „Horror“ Szenario „140 cm in 100 Jahren“ her ist.

    Man weis das.

    Es ist das maximale Szenario des Meeresspiegelanstiegs erstellt vom PIK.

    Erstellt um uns allen Angst zu machen und damit politischen Druck auszuüben.

    Aber mit einer Wahrscheinlichkeit des Eintreffens, die weit geringer ist, als die einer höheren Sturmflut von 1976!

    Denn wir haben mittlerweile Ende 2009, von 2000 bis heute, also in fast 10 Jahre ist ein Anstieg von ca. 2,5 cm zu verzeichnen, bleiben also noch 90 Jahre bis zum Ende des Jahrhunderts für die restlichen 137,5 cm übrig, also durchschnittliche schlappe 15,3 cm in 10 Jahren und nicht mickrige 2,5 cm für die ersten 10 Jahre dieses Jahrhunderts. Der Meeresspiegel müßte also 6 mal schneller steigen als er es die letzten 10 Jahre getan hat oder 5 mal schneller als in den letzten 17 Jahren.

    Wer würde denn ernsthaft auf so was wetten?

  • N
    Nautilus

    Hier wird der mittleren Meeresspiegelanstieg mit kurzzeitige Zufallsereignissen, also sehr seltenen Extremwerten, (Sturmfluten), in Zusammenhang gebracht.

    Das eine hat mit dem anderen aber nur sehr bedingt etwas zu tun.

    Die letzten großen Sturmfluten waren wie richtig aufgeführt in den 60 und 70 Jahren des letzten Jahrhunderts, also in einer Zeit, die relativ kühl war. Globale Erwärmung = Meeresspiegelanstieg = Überschwemmung stimmt also hier schon mal nicht.

    Außerdem werden, wie leider fast immer, Modell Szenerien mit belastbaren Vorhersagen verwechselt.

    Warum wird nicht mal auf die wirklichen Messdaten eingegangen?

    Ganz einfach, weil sie ein anderes, ziemlich unspektakuläres Bild zeigen: Der mittlere globale Meeresspiegelanstieg liegt als Mittelwert über die letzten 17 Jahre bei ca. 3,2 mm pro Jahr, also 32 cm in 100 Jahren und nicht 140 cm. Von 2006 bis heute ist überhaupt kein Anstieg mehr festzustellen (Kann natürlich Zufall sein!), so das sich für die letzten 10 Jahre nur 2,5 cm ergeben. Jeder kann dies leicht selbst überprüfen. (http://sealevel.colorado.edu/current/sl_noib_global.jpg) (Satelliten Messung)

    Von einer (positiven) Beschleunigung des Meeresspiegel Anstiegs kann also keine Rede sein. Wenn Beschleunigung, dann negativ, also ein Abbremsen!

    Die Deiche werden auch nicht erhöht, sondern es ist geplant, die Deiche zu verbreitern. Erst später kann man dann, wenn es überhaupt notwendig sein sollte, die Deiche erhöhen.

    Ich brauche nicht zu fragen, wo das „Horror“ Szenario „140 cm in 100 Jahren“ her ist.

    Man weis das.

    Es ist das maximale Szenario des Meeresspiegelanstiegs erstellt vom PIK.

    Erstellt um uns allen Angst zu machen und damit politischen Druck auszuüben.

    Aber mit einer Wahrscheinlichkeit des Eintreffens, die weit geringer ist, als die einer höheren Sturmflut von 1976!

    Denn wir haben mittlerweile Ende 2009, von 2000 bis heute, also in fast 10 Jahre ist ein Anstieg von ca. 2,5 cm zu verzeichnen, bleiben also noch 90 Jahre bis zum Ende des Jahrhunderts für die restlichen 137,5 cm übrig, also durchschnittliche schlappe 15,3 cm in 10 Jahren und nicht mickrige 2,5 cm für die ersten 10 Jahre dieses Jahrhunderts. Der Meeresspiegel müßte also 6 mal schneller steigen als er es die letzten 10 Jahre getan hat oder 5 mal schneller als in den letzten 17 Jahren.

    Wer würde denn ernsthaft auf so was wetten?

  • M
    Marschenfreund

    Ui ui ui, viele Halbwahrheiten und Missverständliches. Die Krönung sind: die "Bewohner gruben sich ihr nasses Grab selbst" sowie "wer möchte, mag da einen Zusammenhang mit aktuellen Diskussionen über Klimaschutz und steigende Meeresspiegel sehen".

     

    Was will uns der Autor damit sagen? Das ist bester Abendblatt-Style. Bisschen seriöser wäre mehr.